Emma und der Rebell
auf und befestigte den Stöpsel in der Wanne. Aber erst als sie
glaubte, daß das Geräusch des laufenden Wassers alles andere übertönen würde,
Iieß sie ihren Tränen freien Lauf.
Nach dem
Bad und in Lucys Morgenmantel gehüllt, begann Emma sich ein wenig besser zu
fühlen, und sie tröstete sich mit dem Gedanken, daß sie und Steven nicht nur
weitere Gelegenheiten haben würden, Kinder zu zeugen, sondern sie auch
gemeinsam aufzuziehen. Aber jetzt im Moment brauchte Steven ihre ganze Kraft,
und sie war entschlossen, ihn nicht zu enttäuschen.
Als Lucy
mit dem Tee erschien, brachte Emma ihr zuliebe sogar ein Lächeln zustande.
Gemeinsam setzten sie sich an einen kleinen Tisch beim Fenster. Lucys schwarzes
Kleid wirkte warm und unbequem, und Emma glaubte, wieder Cyrus' Worte zu
vernehmen: > Lucy trauert um ihre Träume < .
»Es ist
sehr lieb von Ihnen, mich so herzlich zu empfangen«, sagte Emma. »Ich vermute,
daß Steven Ihnen nicht viel über uns erzählt haben wird«, meinte Lucy, ohne auf
Emmas Bemerkung einzugehen. »Macon haßt ihn, wie Sie sicher wissen, aber Cyrus
und Nathaniel und ich betrachten ihn als Mitglied der Familie.«
»Nathaniel?«
»Ach, diese
Familie ist so kompliziert«, erwiderte Lucy seufzend, während sie den Tee
einschenkte. »Nathaniel ist eigentlich ein Cousin von Steven und Macon. Wir
haben ihn bei uns auf genommen, als sein Daddy im Krieg ums Leben kam.« Ihre
Augen leuchteten auf, als erinnerte sie sich an etwas sehr Angenehmes. »Er war
damals kaum mehr als ein Baby. Ich habe ihn aufgezogen wie einen Sohn.«
An ihre
eigene Enttäuschung denkend, fragte Emma: »Haben Sie und Macon Kinder?«
Die Worte
schienen Lucy zu durchdringen wir eine Lanze; sie versteifte sich auf ihrem
Stuhl, und für einen Moment huschte ein Ausdruck der Qual über ihr Gesicht.
»Unser Herrgott hat uns nie ein Kind geschenkt«, antwortete sie mit weicher
Stimme, die Verwirrung und ein Gefühl des Betrogenseins verriet. »Das war sehr
nachlässig von Ihm, finden Sie nicht?«
Emma nickte
und bereute, das Thema zur Sprache gebracht zu haben. Es war ganz bestimmt
nicht ihre Absicht gewesen, ihre einzige Freundin in ganz Louisiana zu
verletzen. »Verzeihen Sie mir«, bat sie leise.
Lucy
drückte ihre Hand und strahlte schon wieder, und zum ersten Mal fiel Emma auf,
daß etwas Unnatürliches, Aufgesetztes an ihrem Lächeln war. »Machen Sie sich
nichts daraus, Emma. Wir werden uns blendend verstehen, Sie und ich. Es wird
sich herausstellen, daß Steven unschuldig ist, und dann werdet ihr beide
Fairhaven mit Kindern füllen.«
»Ich hoffe,
daß Sie recht behalten«, erwiderte Emma zerstreut und schaute in den blühenden
Garten hinaus. Aber sie nahm nichts von der ganzen Pracht wahr; sie sah nur
Steven, wie er mit gefesselten Händen zum Galgen geführt wurde.
Nach dem
Tee schlief Emma
eine Weile unruhig, bis Lucy kam, um sie zum Dinner abzuholen.
»Ist mein
Gepäck eingetroffen?« fragte Emma.
Lucy
nickte. »Jubal hat schon alles für Sie eingeräumt«, erwiderte sie. »Aber Sie
brauchen unbedingt neue Sachen. Die Kleider, die Sie mitgebracht haben, sind
nicht passend für New Orleans.«
»Jubal?«
Das letzte, worüber Emma sich jetzt Gedanken machten wollte, war der Zustand
ihrer Garderobe. Sie stand auf und
fand ein schlichtes blaues Baumwollkleid im Schrank und frische Unterwäsche in
der Kommode.
»Jubal ist
Ihre Zofe, Emma«, erwiderte Lucy mit gutmütigem Vorwurf. »Ihre Mama war noch
eine Sklavin. Aber Jubal ist natürlich frei.«
Emma
dachte, daß Freiheit etwas Verwirrendes sein mußte für einen Menschen, der sein
Leben lang versklavt gewesen war. Aber sie behielt diese Ansicht für sich, trat
hinter eine Spanische Wand und zog sich an.
Das
Abendessen wurde in einem geräumigen Speisesaal mit drei prächtigen
Kristallüstern serviert, an einem langen Tisch, der mit feinstem Porzellan und
Silber gedeckt war.
Emma fragte
sich, wie all diese Kostbarkeiten die Invasion des Feindes unbeschadet
überstanden hatten, und Cyrus, der ihre Gedanken zu erraten schien, bemerkte
lächelnd: »Wir hatten das Glück, daß unsere Eroberer Gentlemen waren.«
Macon, der
sich im Gegensatz zu seinem Großvater bei Emmas und Lucys Erscheinen nicht
erhoben hatte, entfaltete seine Serviette und gab einen verächtlichen Laut von
sich. »Gentlemen!« schnaubte er angewidert.
Emma tat,
als existierte Macon nicht, und richtete ihren Blick auf den dünnen,
langaufgeschossenen Jungen, der ihr gegenübersaß. Er hatte
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