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Emmas Story

Emmas Story

Titel: Emmas Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miriam Muentefering
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viel Zeit vergangen. Meine Güte, was alles passiert ist!« Ihre ganze Gestalt scheint in kleine, discolichtfarbene Flammen aufzugehen vor Begeisterung über unser zufälliges Treffen.
    Man könnte meinen, es hätte ihr am heutigen Tag nichts Besseres passieren können, als mich nach unendlich vielen Jahren wieder zu treffen.
    Anwältin für Menschenrechte.
    Wie lange ist das her?
    Hochtrabende Pläne für eine Dreizehn- oder Vierzehnjährige.
    »Na, ich bin jedenfalls nicht verheiratet«, sage ich betont munter.
    Lu lässt sich von meiner Einsilbigkeit nicht verprellen, sondern legt freundlich eine Hand an meine Schulter. Ich muss den Impuls unterdrücken, mich abzuwenden. »Wenn Achim …« Sie stutzt kurz und sieht ihn fragend an. Und mein sonst so pingeliger Freund verzeiht ihr den kleinen Fauxpas sofort. »Armin«, korrigiert er sie freundlich lächelnd, und sie leuchtet ihn zum Dank an, als ginge hier im Treppenhaus die Sonne auf. »Also, wenn du bei Gregor und Daniel einziehst, dann werden wir uns sicher öfter treffen, Emma. Klingel doch einfach mal. Dann nehmen wir uns etwas Zeit und erzählen, was in der Zwischenzeit gelaufen ist, ja?«
    Armin öffnet den Mund. Vermutlich, um zu sagen, dass es so weit nicht kommen wird. Dass bereits jetzt schon feststeht, dass er in diesem Haus nicht wohnen wird. Dass also keine weitere Begegnung zwischen Lu und mir vorprogrammiert ist und wir uns genauso gut wieder zwanzig Jahre nicht über den Weg laufen könnten. Doch bevor er eines dieser entlarvenden Worte herausbekommt, simuliere ich einen kleinen Hustanfall und sehe ihn dabei warnend an.
    Also lächelt Armin nur dünn und murmelt: »Gute Idee …«
    Und ich nicke dazu.
    Lu kann ihre Freude kaum unterdrücken. Vielleicht sollte ich besser sagen: Sie will sie nicht unterdrücken. Siebzehn Jahre sind es, fällt mir da schlagartig ein. Siebzehn Jahre genau haben wir uns nicht gesehen. Aber die vergangene Zeit fällt von mir ab wie Staub, den man aus den Kleidern schlägt. Meine Güte, sie hat sich ja überhaupt nicht verändert. Genauso distanzlos wie früher strahlt sie wie ein ganzer Kronleuchter.
    »Super! Mann, das wird ein toller Tag! Ich wusste es vorhin schon, als ich auf dem Weg zum Bäcker in einen Hundehaufen getreten bin. Soll ja Glück bringen. Aber jetzt muss ich echt los. Geil, dass wir uns getroffen haben, Emma!« Sie umarmt mich und drückt mich fest an sich. Ihr Geruch fällt über mich her. Heftiges Kribbeln breitet sich, beginnend in meiner Nase, über meinen ganzen Körper aus. Es brennt wie Feuer und scheint zugleich kalt wie Eis zu sein.
    Ich schaudere.
    Aber noch bevor ich für mein Zusammenzucken eine Erklärung erfinden muss, plappert bereits weiter: »Ich freu mich schon riesig auf unser Treffen! Lass nicht zu viel Zeit vergehen, hörst du?! Bis bald dann also! Tschüß, Achim!«
    »Tschö!«, grins Armin breit.
    Ich bleibe stumm. Das ›bis bald!‹ bleibt mir im Hals stecken, da Lu bereits, je zwei, drei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinunterspringt.
    Geil, dass wir uns getroffen haben.
    Wir bleiben noch einen Moment im Treppenhaus stehen, als hätte man uns dort vergessen, und Armin blickt am Geländer vorbei hinunter, bis unten die Haustür ins Schloss fällt.
    ›Das kann nicht sein! Das kann nicht sein! Das ist nicht wirklich passiert!‹, echot es fassungslos in mir, trotz des Versuchs, ganz fest daran zu glauben, dass es keine Katastrophe ist, wenn ich eine Nachbarin und Klassenkameradin aus meiner Teenagerzeit wiedertreffe. Es ist nichts Schlimmes passiert, nicht wahr? Meine Haare sind nicht plötzlich grau geworden. Meine Nase sitzt noch an der richtigen Stelle. Es ist wirklich nichts Schlimmes geschehen!
    »Das ist ja ’n Dingen!«, lässt sich Armin vernehmen. »Die Lu!« Dazu wirft er mir einen scheelen Blick von der Seite zu. »Die hat sich bestimmt total verändert seit eurer letzten Begegnung, oder?«
    Ich kann meinen Herzschlag im ganzen Brustkorb spüren. Ruhig! Ganz ruhig!
    »Wie kommst du darauf?« Wir setzen uns wieder in Bewegung und steigen nebeneinander die Stufen runter.
    »Na, so wie du sie beschrieben hast, habe ich mir immer eine vorlaute, freche Rotzgöre vorgestellt, die total unbeliebt ist, weil sie nicht weiß, wie man einen kompletten Satz auf die Reihe bekommt, dazu dumm wie ein Toastbrot ist und außerdem auch noch hässlich wie die Nacht.«
    »Sie hatte eine Zahnspange und blöde Haare«, sage ich und höre selbst wie kindisch das klingt.
    Armin lacht

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