Emotionen. Gefühle literarisch wirkungsvoll einsetzen
Rückseite, welches Gefühl gemeint ist.
Diese Aufgabe ist besonders interessant, wenn man sie anschließend in einer Gruppe auswerten kann. Legen Sie alle Blätter auf dem Boden aus. Erkennen Sie Übereinstimmungen?
Sammeln Sie die Blätter auf und bilden Sie drei Stapel zu Freude, Trauer und Wut. Wie oft haben Sie richtig getroffen?
Das Experiment geht auf eine psychologische Studie von Silvia Jilg, Christoph Piesbergen und Wolfgang Tunner aus dem Jahr 1995 an der Universität München zurück. Die Fragestellung war: Gibt es repräsentative Ausdrucksformen von Gefühlen? Und werden diese von anderen Menschen erkannt?
An diesem Versuch haben 11 Schülerinnen und 10 Schüler einer Abiturklasse teilgenommen. Die Aufgabenstellung lautete: »Die einfachste Möglichkeit, Gefühle zeichnerisch zum Ausdruck zu bringen, stellt das Kritzeln dar. Beim Kritzeln zeichnen wir absichtslos, fast automatisch Linien, ohne dass wir dabei bestimmte Gegenstände darstellen wollen.« Die Teilnehmer sollten sich auf ein bestimmtes Gefühl konzentrieren und es durch Kritzeln zum Ausdruck bringen.
Das Ergebnis war verblüffend: Es herrschten große Übereinstimmungen.
WUT
Die Wutdarstellung geht vom Zentrum aus und erstreckt sich in alle Richtungen. Die Form ist groß angelegt und ihre Gestalt offen. Sie wirkt raumgreifend. Die Darstellungsart ist gemischt, linienhaft, gehackt und punktuell. Durch Bewegung und Gegenbewegung kommt keine einheitliche Hauptrichtung zustande. Die charakteristischen Merkmale in der Darstellung können als eckig und spitz, mit harten, unterbrochenen Formen, wirr durcheinander, mit vielen Ansätzen und vielfältig im Aufbau beschrieben werden. Die Druckstärke des Stiftes ist sehr stark.
TRAUER
Die Darstellung verläuft fast parallel zur unteren Blattkante, von links unten über die untere Mitte nach rechts unten mit kleinen Auf- und Abbewegungen und einer sich neigenden Tendenz. Sie ist mittelgroß angelegt und linienhaft durchgehend, in einem Zug mit Hauptrichtung von links nach rechts. Die Ausprägungen sind spitz bis bogig, manchmal fließend. Durch den einen Ansatz ist die Wirkung einfach; die Druckstärke ist gering.
FREUDE
Die Verteilung im Raum ist ganzflächig, die Formation groß, offen und raumgreifend. Die Darstellungsart ist linienhaft; die Hauptrichtung verläuft diagonal von links unten nach rechts oben. Die Charakteristika der Darstellung sind rund und bogig, die Linien weich und geschwungen. Der Stift setzt häufig neu an, die Formationen sind vielförmig, die Druckstärke wechselt.
In einem Schreibseminar haben wir das Experiment erprobt und versucht, Stichwörter für die Charakteristika der Kritzeleien zu finden. Die Assoziationen der Gruppe ergaben:
Wut
zackig, unordentlich, viele Stiche, Unruhe, chaotische Formen
Trauer
Kargheit, isolierte Formen, Leere, herabfallend wie Regen, Monotonie, spiralig nach innen zentriert, manchmal ein schwarzes Loch
Freude
leicht, locker, flockig, schwungvoll, hell, nach außen schwingend, luftig, runde Formen, Wellen, Kugeln, Blasen, Spritzer, Kringel, Strahlen, weich, sprudelnd, aufwärts strebend
Für das literarische Schreiben ist diese Übung besonders interessant. Wenn nämlich Gefühle und ihr Erkennen übereinstimmen, dann kann man dies in Texten bewusst einsetzen. Es gibt verschiedene Ausdrucksformen, an denen man Gefühle erkennt:
-Mimik
-Gestik
-Körpersprache
-Stimme
-Verhaltensweisen
-Handschrift
Auf solche Dinge können Sie achten, wenn Sie einen Charakter agieren lassen. Sie brauchen seine Gefühle nicht zu benennen, sondern stellen sie durch typische Merkmale dar. Auch die Atmosphäre im Text kann – im Gleichklang oder auch unabhängig von der Handlung – unterschiedliche Gefühlsschwingungen beinhalten.
Anregung
Wiedergabe von Stimmungen
Können Sie Ihrem Text die Stimmung einer der drei Grundgefühle Freude, Trauer und Wut verleihen, ohne es direkt zu benennen und zu thematisieren? Schreiben Sie drei verschiedene kurze Texte unter der Überschrift »Ein Spaziergang«:
1.Leicht, schwungvoll und heiter
2.Monoton und schwerfällig
3.Chaotisch und aggressiv
Spüren Sie die unterschiedlichen Stimmungen der drei folgenden kurzen Texte?
1.Ohne Eile bewege ich mich durch die Straßen. Die Häuser ziehen rechts und links an mir vorbei. Der Wind schmeichelt mir durchs Haar und ich schwinge meine Arme in lockerer Bewegung.
2.Ich sehe nur Häuser, wenn ich durch die Straßen schreite. Meine Schritte sind langsam, mein Blick
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