Ende eines Sommers
ihn loswerden sollen.“
„Kurzer Prozeß und erschießen.“
„O nein, bitte nicht!“
„Wahrscheinlich hat er Flöhe. Bringt Flöhe ins Haus.“
„Ich kaufe ihm ein Flohhalsband.“
Dad betrachtete mich über seine Brille hinweg. Ich konnte sehen, daß er allmählich lachen mußte. „Bitte“, sagte ich.
„Warum nicht? Er kann mir Gesellschaft leisten, wenn du weg bist.“
„In Ordnung“, sagte Dad. Also zog ich auf der Stelle Schuhe an, pfiff dem Hund und ging mit ihm über den Hügel nach La Carmella, wo es einen sehr feinen Tierarzt gibt. Dort wartete ich in einem kleinen Zimmer inmitten verhätschelter Pudel und siamesischer Katzen samt deren Besitzern. Schließlich wurde ich ins Sprechzimmer gelassen, der Tierarzt sah sich Rusty an, erklärte ihn für gesund, gab ihm eine Spritze und sagte mir, wo ich ein Flohhalsband kaufen könne. Ich bezahlte den Tierarzt, ging das Flohhalsband kaufen, dann kehrten wir nach Hause zurück. Als wir in das Haus kamen, las Dad immer noch seine Zeitschrift, der Hund trat höflich ein, und nachdem er eine Weile herumgestanden und gewartet hatte, bis er aufgefordert würde, sich zu setzen, ließ er sich auf dem alten Vorleger vor dem leeren Kamin nieder.
„Wie heißt er?“ fragte mein Vater, und ich antwortete: „Rusty“, denn ich hatte einmal ein Nachthemd gehabt, auf dem ein Hund aufgedruckt war, der Rusty hieß, und dies war der erste Name, der mir in den Sinn kam.
Ohne Frage paßte er zur Familie, denn es sah so aus, als habe er schon immer dazugehört. Wo ich auch ging und stand, Rusty kam mit. Er liebte den Strand, grub dort ständig wertvolle Schätze aus und brachte sie uns nach Hause, damit wir sie bewundern konnten. Altes Strandgut, Plastikflaschen für Spülmittel, lange baumelnde Streifen Seetang. Und manchmal auch Dinge, die er offenbar nicht ausgegraben hatte. Einen neuen Turnschuh, ein helles Badehandtuch und einmal einen durchlöcherten Wasserball, den mein Vater ersetzen mußte, als ich den weinenden kleinen Besitzer schließlich ausfindig gemacht hatte. Er schwamm auch gern und bestand immer darauf, mich zu begleiten, obwohl ich viel schneller und weiter schwimmen konnte als er und er jedesmal abgeschlagen hinter mir herpaddeln mußte. Man sollte meinen, das hätte ihm den Mut genommen, aber er gab nie auf.
An diesem Tag, einem Sonntag, waren wir schwimmen gewesen. Dad hatte es geschafft, den Termin einzuhalten, und war nach Los Angeles gefahren, um das Skript persönlich abzugeben. Rusty und ich hatten einander den ganzen Nachmittag im und am Meer Gesellschaft geleistet, Muscheln gesucht und mit einem alten Treibholzstock gespielt. Aber nun wurde es kühler, ich hatte mir wieder etwas übergezogen, und wir saßen nebeneinander, wurden von der goldenen untergehenden Sonne geblendet und beobachteten die Surfer.
Sie waren schon den ganzen Tag auf dem Wasser, und es schien, als würden sie nie müde werden. Auf ihren Brettern kniend paddelten sie hinaus aufs Meer, durch die Brandung zu dem glatten grünen Wasser dahinter. Dort warteten sie geduldig, thronten auf der Horizontlinie wie Kormorane, bis die Dünung anlief und eine Welle bildete, die schließlich brach. Sie standen auf, wenn das Wasser sich aufwölbte, hochwogte und der Kamm weiß wurde, und wenn die Welle sich überschlug und auf den Strand donnerte, dann kamen die Surfer mit, auf der Welle reitend, in einem geradezu poetischen Balanceakt, voll jugendlicher Zuversicht. Sie ließen sich von der Welle bis auf den Sand tragen, stiegen dann lässig ab, griffen sich ihr Brett und paddelten wieder hinaus aufs Meer, denn nach dem Glaubensbekenntnis des Surfers kommt, jetzt gleich, immer noch ein größerer und besserer Brecher. Die Sonne ging unter, kein Augenblick durfte jetzt noch vertan werden.
Ein Junge hatte meine Aufmerksamkeit erregt. Er war blond und sehr braun gebrannt, trug das Haar militärisch kurz geschnitten, seine dünnen Shorts leuchteten im gleichen Blau wie sein Surfbrett. Er war ein großartiger Surfer, neben seinem Stil und Schwung sahen all die anderen aus wie ungeschickte Amateure. Nach einiger Zeit entschloß er sich offenbar, es gut sein zu lassen. Er ritt auf einer letzten Welle ans Ufer, ließ sich sauber auf den Strand gleiten, sprang vom Surfbrett, drehte sich nach einem letzten langen Blick über das rosaverwaschene abendliche Meer um, hob das Surfbrett auf und kam über den Strand auf mich zu.
Ich sah verlegen weg. Er kam in meine Nähe, ging dann ein paar
Weitere Kostenlose Bücher