Enders Schatten
Bean nun aus dem umgekehrten Grund zum AusgestoÃenen: Er stand über allen und genoss das allerhöchste Ansehen.
Die Situation bedrückte ihn, denn er wusste, dass er imstande sein musste, als Teil des Teams zu funktionieren, nicht nur als Mentor oder Experte. Nun war es extrem wichtig, dass er an ihrer Freizeit teilhatte, sich gemeinsam mit ihnen entspannte, scherzte und in Erinnerungen an die Kampfschule schwelgte. Und an noch frühere Zeiten.
Das Tabu der Kampfschule, nicht von zu Hause zu sprechen, war jetzt nämlich aufgehoben. Alle erzählten von Müttern und Vätern, die inzwischen ferne Erinnerungen waren, aber immer noch eine wichtige Rolle in ihrem Leben spielten.
Die Tatsache, dass Bean keine Eltern hatte, machte die anderen zunächst ein wenig schüchtern, aber er nutzte die Gelegenheit und begann offen, über seine Erfahrungen zu sprechen. Das Versteck im Spülkasten an dem »Sauberen Ort«. Der spanische Hausmeister, der ihn mit nach Hause genommen hatte. Hunger auf den StraÃen, während er auf seine Chance wartete. Poke und sein Vorschlag, die Schläger bei ihrem eigenen Spiel zu schlagen. Seine Hochachtung und die Angst vor Achilles, als er ihre kleine StraÃenfamilie bildete, Poke an den Rand drängte und sie schlieÃlich tötete. Als er ihnen davon erzählte, wie er Pokes Leiche gefunden hatte, weinten einige von ihnen. Besonders Petra brach regelrecht schluchzend zusammen.
Es war eine Gelegenheit, und Bean nutzte sie. Natürlich lief sie sofort davon und nahm ihre Emotionen mit in ihr Quartier. Sobald er konnte, folgte Bean ihr.
»Bean, ich will jetzt nicht reden.«
»Ich schon«, sagte Bean. »Es gibt etwas, worüber wir reden müssen. Zum Wohl des Teams.«
»Sind wir das denn? Ein Team?«, fragte sie.
»Petra, du weiÃt jetzt, was das Schlimmste ist, das ich je getan habe. Achilles war gefährlich. Ich wusste es, und ich habe Poke dennoch mit ihm allein gelassen. Sie ist deshalb gestorben. Das brennt mir jeden Tag meines Lebens auf der Seele. Jedes Mal, wenn ich anfange, glücklich zu sein, erinnere ich mich an Poke und daran, dass ich ihr mein Leben verdanke und sie hätte retten können. Jedes Mal, wenn ich jemanden liebe, fürchte ich, dass ich ihn auf die gleiche Weise verraten werde, wie ich sie verraten habe.«
»Warum erzählst du mir das, Bean.«
»Weil du Ender verraten hast, und ich denke, es nagt an dir.«
Ihre Augen blitzten vor Zorn. »Das habe ich nicht getan, und es nagt an dir, nicht an mir!«
»Petra, ob du es nun von dir aus zugibst oder nicht, als du versucht hast, Ender an diesem Tag im Flur aufzuhalten, musst du gewusst haben, was du tatest. Ich habe dich im Kampf beobachtet. Du bist gescheit, du siehst alles. In gewisser Weise bist du der beste taktische Kommandant der ganzen Gruppe. Es ist vollkommen unmöglich, dass du nicht gesehen hast, dass Bonzos Schläger überall im Flur standen und nur darauf warteten, Ender zusammenzuschlagen, und was hast du getan? Du hast versucht, ihn aufzuhalten und aus seiner Gruppe zu holen.«
»Und du hast mich aufgehalten«, sagte Petra. »Also ist das hier eine rein akademische Diskussion.«
»Ich muss immer noch den Grund erfahren.«
»Du musst überhaupt nichts erfahren.«
»Petra, wir werden eines Tages Schulter an Schulter kämpfen. Wir müssen imstande sein, einander zu vertrauen. Im Augenblick kann ich dir nicht vertrauen, weil ich nicht weiÃ, warum du das getan hast. Und jetzt wirst du mir nicht vertrauen, weil du weiÃt, dass ich dir nicht vertraue.«
»Oh, was für ein verstricktes Netz wir weben.«
»Was zum Teufel bedeutet das?«
»Mein Vater hat das immer gesagt. âºOh, was für ein verstricktes Netz wir weben, wenn wir zuerst die Täuschung üben.â¹Â«
»Genau. Und jetzt entwirre die Geschichte für mich.«
»Du bist derjenige, der hier ein Netz webt, Bean. Du weiÃt Dinge, die du uns anderen vorenthältst. Glaubst du, ich merke das nicht? Du willst also, dass du mir wieder vertrauen kannst, aber du sagst mir nichts Nützliches.«
»Ich habe dir meine Seele offengelegt«, grollte Bean.
»Du hast mir von deinen Gefühlen erzählt«, sagte sie verächtlich. »Also gut, es ist hilfreich zu wissen, dass du welche hast oder dass du es zumindest für wichtig hältst, so zu tun, als hättest du welche â
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