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Enders Schatten

Enders Schatten

Titel: Enders Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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mich, und ich bleibe ruhig.«
    Endlich verstand sie. Wie deutlich sollte er denn noch werden? Er teilte ihr mit, was sie wissen wollte, aber er tat es kodiert, auf eine Weise, die nicht nur jeden Lauscher täuschen würde – und es gab vielleicht wirklich Lauscher, die jedes Wort, was er sagte, verfolgten – , sondern auch seinen eigenen Geist. Es war alles ein Scherz, und solange er scherzte, konnte er die Wahrheit sagen.
    Â»Dann habe ich nichts dagegen, mir Ihre wilden humoristischen Vorstöße in die Theologie anzuhören.«
    Â»Die Genesis berichtet von Menschen, die mehr als neunhundert Jahre alt wurden. Was sie uns nicht verrät, ist, wie unglaublich dumm sie waren.«
    Schwester Carlotta lachte.
    Â»Deshalb musste Gott die Menschheit mit seiner kleinen Flut vernichten«, fuhr Anton fort. »Er musste diese dummen Leute loswerden und sie durch schlauere ersetzen. Schlauere und schnellere. Ihr Geist und ihr Metabolismus überschlugen sich. Sie rasten sozusagen aufs Grab zu.«
    Â»Von Methusalem mit beinahe tausend Jahren Leben zu Moses mit seinen hundertzwanzig Jahren und jetzt zu uns. Aber unser Leben wird wieder länger.«
    Â»Genau.«
    Â»Sind wir jetzt dümmer?«
    Â»So dumm, dass wir unseren Kindern lieber ein langes Leben wünschen, als zuzusehen, dass sie Gott zu ähnlich werden und wissen … Gut und Böse … Wissen … alles.«
    Er drückte die Hände auf die Brust und keuchte. »Ach, Gott! Gott im Himmel!« Er sank auf die Knie. Er atmete jetzt flach und schnell. Er verdrehte die Augen. Er fiel um.
    Offensichtlich war er nicht imstande gewesen, seine Selbsttäuschung aufrechtzuerhalten. Sein Körper hatte schließlich begriffen, dass es ihm gelungen war, dieser Frau sein Geheimnis zu verraten, indem er die Sprache der Religion verwendete.
    Sie drehte ihn auf den Rücken. Nun, da er ohnmächtig geworden war, ließ seine Panik nach.
    Nicht, dass Ohnmacht bei einem Mann in Antons Alter harmlos gewesen wäre. Aber es würde kein Heldentum brauchen, um ihn wieder ins Leben zurückzuholen. Er würde ruhig aufwachen.
    Wo waren diese Leute, die ihn angeblich überwachten? Wo waren die Spione, die ihr Gespräch belauschten?
    Rasche Schritte auf dem Gras, auf dem Laub. »Sie sind ein bisschen spät dran«, sagte sie, ohne aufzublicken.
    Â»Tut mir leid, das hatten wir nicht erwartet.« Der Mann war noch jung, sah aber nicht allzu klug aus. Das Implantat sollte angeblich verhindern, dass Anton seine Geschichte weitererzählte; seine Bewacher brauchten nicht besonders intelligent zu sein.
    Â»Ich glaube, er ist wohlauf.«
    Â»Worüber haben Sie gesprochen?«
    Â»Ãœber Religion«, sagte sie, denn sie wusste, dass ihre Aussage wahrscheinlich mit der Aufzeichnung verglichen würde. »Er kritisierte Gott dafür, dass er die Menschen so schlecht geschaffen hatte. Er gab vor zu witzeln, aber ich denke, ein Mann seines Alters macht nie Witze, wenn er über Gott redet.«
    Â»Ja, ihre Angst vor dem Tod wird größer«, sagte der junge Mann weise – oder so weise, wie er konnte.
    Â»Glauben Sie, dass er diese Panikattacke durch seine Angst vor dem Tod zufällig ausgelöst hat?« Wenn sie es als Frage formulierte, war es nicht unbedingt eine Lüge, oder?
    Â»Ich weiß nicht. Er kommt wieder zu sich.«
    Â»Nun, ich will ihm jedenfalls kein weiteres Unbehagen über religiöse Angelegenheiten verursachen. Wenn er bei sich ist, sagen Sie ihm bitte, wie dankbar ich ihm für unser Gespräch bin. Versichern Sie ihm, dass er mir eine der großen Fragen über Gottes Absicht beantwortet hat.«
    Â»Ja, das werde ich ihm sagen«, versicherte der junge Mann feierlich.
    Selbstverständlich würde er die Botschaft hoffnungslos verzerren.
    Schwester Carlotta beugte sich vor und küsste Anton auf die kalte, schweißnasse Stirn. Dann stand sie auf und ging davon.
    Das war also das Geheimnis. Das Genom, das einem menschlichen Wesen ungewöhnliche Intelligenz gewährte, beschleunigte auch zahlreiche körperliche Prozesse. Der Geist arbeitete schneller. Das Kind entwickelte sich rascher. Bean war tatsächlich das Ergebnis eines Experiments, bei dem versucht worden war, das Hyperintelligenz-Gen aufzuschließen. Man hatte ihm die Frucht vom Baum der Erkenntnis gegeben. Aber das kam ihn teuer zu stehen. Er würde nicht imstande sein, vom Baum des Lebens zu

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