Enders

oder auch nur eine Zing-Nachricht schicken. Falls du es doch tust, erleidet Michael das gleiche Schicksal wie Reece. Und danach ist Tyler an der Reihe. Hast du verstanden?
    Was konnte ich tun? »Ja«, sagte ich. »Es war ja laut genug.«
    Du befindest dich bereits in der Garage. Steig in dein Auto!
    Ich sah keinen Ausweg. Gegen einen Feind, der in meinem Kopf saß, konnte ich nicht ankämpfen. Also ging ich zu dem blauen Auto hinüber und stieg ein. Er nannte mir eine Adresse, die ich nicht kannte.
    Ich ließ den Wagen an, und das Garagentor schwang auf. Helles Sonnenlicht blendete mich. Ich fuhr aus der Garage und folgte dem weiten Bogen der Auffahrt. Die Tore öffneten sich automatisch, und ich fädelte mich in den Straßenverkehr ein.
    Beide Hände fest am Lenkrad, fuhr ich schweigend dahin.
    Du musst keine Angst haben, Callie. Ich werde dir nicht wehtun. Ich brauche dich.
    Ich war nicht sicher, was das heißen sollte, spürte aber, wie sich die Härchen an meinen Armen aufrichteten. Wie kam ich nur aus der Sache heraus? Ich konnte mich weder an einen Marshal wenden, noch Lauren oder den Senator anrufen. Was immer ich tat, er konnte es sehen. Was immer ich sagte, er konnte es hören.
    Ich hatte nicht einmal die Möglichkeit, Michael zu warnen. Nicht dass er sich irgendwo hätte verstecken können.
    Die Rampe zur Schnellstraße kam in Sicht. Ich fuhr daran vorbei, weil ich dachte, je länger ich im Auto säße, desto eher ergäbe sich eine Gelegenheit, dem Unausweichlichen zu entwischen. Ich verabscheute das Gefühl, dass mich der Old Man aus der Ferne wie eine Marionette steuerte, aber der Gedanke, ihm persönlich ausgeliefert zu sein, jagte mir noch tieferes Entsetzen ein. Die kurze Zeit im Waisenhaus, die ich in seiner Nähe zugebracht hatte, war beängstigender als alles bis dahin Erlebte gewesen. Jene Maske mit ihrem elektronischen Summen und Knistern … ich hatte oft Albträume, in denen ich allein mit ihm im Dunkel war und nichts außer diesem Geräusch hörte.
    Und doch … in Blakes Körper hatte er sich nett und anständig gegeben. Liebenswert. War so etwas überhaupt möglich? Ließ sich das abgrundtief Böse so gut tarnen? Er besaß keine Seele, kein Herz. Das hätte ich merken müssen, als er mir in Blakes Gestalt gegenübertrat. Warum war mir das entgangen?
    Du hättest die Schnellstraße nehmen sollen.
    »Sie kriegen, was Sie wollen. Ich komme zu Ihnen«, sagte ich. »Wollen Sie mir jetzt noch vorschreiben, wie ich zu fahren habe?«
    Ich stieß Luft aus. »Wie verschaffen Sie sich denn nun Zugriff auf unsere Chips?«
    Das wirst du in Kürze sehen.
    Ich rief mir all seine Schandtaten ins Gedächtnis. »Haben Sie Helena eigenhändig umgebracht?«
    Nein. Das war ein anderer.
    »Wer?«
    Das tut nichts zur Sache. Diese Leute arbeiten alle in meinem Auftrag.
    »Sie haben Reece getötet.« Unvermittelt stand der Bombenanschlag wieder vor meinem inneren Auge. »Und darüber hinaus eine Reihe völlig Unbeteiligter verletzt. Alte Leute. Kinder. Manche ringen um ihr Leben. Alle erlitten Schmerzen.«
    Meine Macht musste demonstriert werden. Die Verwundeten waren so etwas wie Kollateralschäden.
    »In welchem Krieg? Sie gegen den Rest der Welt? Gegen Starters, Enders, einfach gegen alle?«
    Endlich, Callie.
    »Was?«, fragte ich fröstelnd.
    Endlich verstehst du mich.
    Ich fuhr schweigend weiter. Ich konnte ihn nicht mehr ertragen. Diese unheimliche Stimme in meinem Kopf machte mich fertig. Nach einer Weile erreichte ich die Straßenkreuzung, die er mir genannt hatte. Ich befand mich in Hollywood, nahe der Hügel. Mein Herz begann schneller zu schlagen. Nein, es konnte nicht sein. Ich suchte krampfhaft nach einer Möglichkeit, dieser Begegnung auszuweichen.
    Denk daran, für wen du das tust. Für Michael und Tyler.
    Es war, als könnte er meine Gedanken lesen – was natürlich nicht stimmte. Aber er wusste, womit er mich in der Hand hatte.
    »Und jetzt?«
    Den Hügel hinauf.
    Ich folgte der Straße um eine Kurve und musste voll auf die Bremse steigen.
    Ein seltsames Gefährt blockierte meinen Weg. Es sah aus wie eine Kreuzung aus SUV und Panzer und nahm die gesamte Fahrbahn der engen Straße ein. Da die Scheiben des stahlgrauen Kolosses getönt waren, konnte ich den Fahrer nicht erkennen.
    »Was wird das denn?«
    Ehe ich etwas unternehmen konnte, schwang die Tür des SUV auf, und ein Typ kam ins Freie gerannt. Er war dunkel gekleidet, trug schwarze Handschuhe und eine schwarze Skimaske, die nur die Augen