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Enders

Enders

Titel: Enders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lissa Price
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flackerte Schmerz darin auf. Aber war dieser Schmerz echt? Oder gespielt?
    »Er ist dein Vater.«
    Er schloss die Augen und schlug sie sofort wieder auf. »So ist es.«
    »Aber das kann nicht sein«, sagte ich zu Hyden. »Er ist ein Ender. Dein Großvater vielleicht …«
    »Er verkleidet sich«, erklärte er.
    »Das weiße Haar …«
    »Eine Perücke. Hast du dich nie gefragt, warum er selbst im Innern von Gebäuden ganze Schichten von Kleidung trägt?«
    »Es hieß, er sei nicht gesund und würde ständig frieren.«
    »Nicht gesund – dass ich nicht lache!« Er rollte mit den Augen. »Diese Lüge gehört mit zu seiner Tarnung. Aber vielleicht macht ihm ja sein kaltes Herz zu schaffen.«
    Ich konnte es einfach nicht fassen. »Du behauptest also, er sei dein Vater – und gehört zur Generation unserer Eltern? Ein … Middle ?«
    »Genau.«
    »Wie kommt es dann, dass er noch lebt?«
    »Schwarzmarkt-Impfstoff.«
    Ich hatte gehört, dass manche Middles diesen Weg gewählt hatten. Man begegnete ihnen nicht allzu häufig, da sie auf der Straße angefeindet wurden, es sei denn, sie gehörten der privilegierten Schicht an, der man den Impfstoff zugestanden hatte – Politiker, hohe Militärs, Wissenschaftler. Daneben gab es noch die Promis, die über Beziehungen und einen Haufen Kohle verfügten – Holo-Stars und die Superreichen. Den Stars verzieh man alles, aber die übrigen Middles waren so verhasst, dass ihr Leben nicht viel wert war, wenn sie ohne ihre Bodyguards in der falschen Gegend erwischt wurden. Es gab ohnehin nicht mehr viele von ihnen.
    »Muss teuer gewesen sein.«
    Er nickte. »Hat ihn sein halbes Vermögen gekostet.«
    »Was ist mit deiner Mutter?«
    »Tot.«
    »Sporen?«
    »Etwas anderes.«
    Der Schmerz in seinen Zügen war so groß, dass ich nicht weiter in ihn dringen wollte.
    Ich dachte an den Tag zurück, als meine Eltern wegen des Impfstoffs in Streit geraten waren. Meine Mutter wollte Daddy dazu bewegen, seine Regierungskontakte zu nutzen und Impfstoff für sie beide zu besorgen, damit sie am Leben bleiben und für uns da sein konnten. Aber er weigerte sich. Sein moralisches Empfinden verbot es ihm, sich an den Starters und Enders vorbeizuschieben, die durch die Sporen angeblich stärker gefährdet waren als die mittlere Generation. Ich hatte das bewundert – und mich darüber geärgert.
    Hydens Augen schimmerten feucht. »Mein Vater ist … ein böser Mensch. Anders kann man es nicht ausdrücken.«
    »Ich weiß nicht, ob du die Wahrheit sagst. Aber ich weiß eines: Der Old Man hat gedroht, meinen Bruder Tyler und meinen Freund Michael zu töten. Ihre Chips zu sprengen. Deshalb musst du mich gehen lassen.«
    Ein SUV bremste und hielt hinter uns an.
    »Ich glaube, das sind sie jetzt«, sagte Hyden.
    Zwei Männer stürmten aus dem SUV und kamen auf uns zu. Es waren Enders mit kurz geschnittenen weißen Haaren, die im Kontrast zu den schwarzen Anzügen, die sie trugen, noch weißer wirkten.
    »Mach die Tür auf«, bettelte ich. »Lass mich raus!«
    Hyden bewegte sich, und ich glaubte, er würde die Türverriegelung lösen. Aber stattdessen umklammerte er das Lenkrad und gab Gas.
    »Nein!«, schrie ich.
    Ich griff nach dem Lenkrad, aber er riss es so hart herum, dass ich es nicht zu fassen bekam. Als ich mich umdrehte, sah ich, wie einer der Enders eine Pistole aus der Tasche zog. Er zielte, doch sein Begleiter hinderte ihn daran, einen Schuss abzufeuern. Sie sprinteten zurück zu ihrem Wagen.
    »Diesen Typen willst du dich also freiwillig ausliefern?«, fragte Hyden.
    Ich warf einen Blick über die Schulter. »Sie verfolgen uns.«
    Hyden ging in eine scharfe Linkskurve.
    »Halt dich gut fest«, sagte er. »Ich hänge sie ab.«
    Er fuhr mit grimmiger Entschlossenheit, bog abrupt mal nach rechts und dann wieder nach links ab. Er war ein perfekter Fahrer und hatte die Verfolger bald abgeschüttelt. Kurz darauf steuerte er eine Tiefgarage an.
    »Wohin bringst du mich?«, wollte ich wissen.
    »Nach unten. Dort ist es sicherer.« Er richtete sein Handy auf die Einfahrt.
    Das Tor schwang auf, und wir rollten die Rampe hinunter, in lang gezogenen Kurven, ein Parkdeck um das andere. Als wir ganz unten angekommen waren, parkte er den SUV an einem Eckplatz. Auf diesem Level waren wir das einzige Fahrzeug.
    Er stellte den Motor ab.
    »Ich lasse dich jetzt aussteigen. Eine Flucht hat keinen Sinn, da von hier kein Weg nach draußen führt. Gib mir die Chance, dir alles zu erklären. Dann wirst du begreifen,

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