Enders
stritt er das mehr oder weniger ab.«
»Das sieht ihm ähnlich.«
»Nein, das finde ich nicht. In der Regel gibt er mit seinen Taten ganz schön an.«
»Er will dich verwirren, das ist alles. Vergiss es einfach.«
Es war spät, und ich war erschöpft. Hyden verließ die Schnellstraße. Er fuhr suchend durch das Zentrum eines nahen Vororts, bis er ein großes Bürohaus mit einer mehrgeschossigen Tiefgarage entdeckte. Er steuerte die Einfahrt an.
»Wohin willst du?«, fragte ich.
»So weit unter die Erde wie nur möglich«, erklärte Hyden und folgte der Rampe, die in engen Kurven in die Tiefe führte.
Er parkte den Wagen in der untersten Ebene, die bis auf zwei Autos leer war, und senkte die Plexiglasscheibe hinter unseren Sitzlehnen ab. Michael wachte auf. Wir stiegen alle aus, um die Toilette zwischen Lift und Snack-Automat zu benutzen und uns ein wenig frisch zu machen.
Ich wusch mir das Gesicht mit feuchten Papierhandtüchern. Als ich den Raum verließ, hatten sich Hyden und Michael bereits Wasserflaschen und Schokogebäck aus dem Automaten besorgt. Es war billiges Zeug, das nur Spuren von Vitaminen enthielt – gerade genug, um als Supertruffles durchzugehen.
Hyden warf mir eines der Dinger zu. »Hier.«
Ich fing die Süßigkeit auf. Als er eine Wasserflasche hinterherwarf, entglitt sie meinen Händen. Michael hob sie auf und wollte sie mir geben, aber ich stand mit hängenden Armen da und rührte mich nicht von der Stelle.
»Was ist los mit dir?«, fragte Hyden.
»Was soll schon los sein?«
Er kam näher, entwand die Riesenpraline vorsichtig meinen Fingern, löste sie aus ihrem Papier und streckte sie mir entgegen. Ich nahm sie, ohne Hyden zu berühren, brach ein kleines Stück ab und kaute es langsam.
»Nun rede schon«, forderte er mich auf.
Die Billig-Supertruffle klebte mir am Gaumen.
»Ich will mein Leben zurück. Okay?«
Hyden starrte mich an. Michael ebenfalls.
»Ich konnte genau zwei Wochen mit meinem Bruder verbringen, ohne Sorgen, in einem schönen, gemütlichen Heim. Ich wollte ihm seine Familie zurückgeben. Aber jetzt ist er mit einer Kinderfrau in einer Berghütte irgendwo im Niemandsland, während ich hier in einer Tiefgarage festsitze und mich frage, ob ich ihn je wiedersehen werde. Ob wir morgen überhaupt noch leben werden …«
Hyden trat einen Schritt näher, gab den Abstand aber nicht ganz auf.
»Sieh mal, ich habe das gleiche Ziel vor Augen wie du. Ungebundenheit. Freiheit für uns alle.« Er warf uns einen beschwörenden Blick zu. Michael nickte. »Aber dieses Ziel lässt sich nicht sofort erreichen. Wir müssen es Schritt für Schritt angehen, okay?«
Ich wandte mich ab.
»Komm«, sagte Hyden, »es ist doch nicht alles verloren.«
Ich schluckte krampfhaft. »Nein, nicht alles. Nur Redmond. Nur all die Starters, die wir von der Straße geholt haben. Lily, Savannah, Jeremy und all die anderen. Dein Labor, all deine Forschungsergebnisse.«
»Du unterschätzt mich. Ich hatte für den Notfall eine Tasche gepackt. Mit den wichtigsten Unterlagen. Und Bargeld.« Hyden deutete auf den Wagen, in dem er den großen schwarzen Seesack abgestellt hatte. »Meine Forschungsergebnisse sind hier gespeichert.« Er tippte sich an die Stirn.
»Aber die Instrumente«, sagte ich. »Deine Computer.«
»Mit meinen Computern können sie nichts anfangen«, erklärte er. »Die waren mit einem Zerstörungsmechanismus gegen unbefugtes Eindringen ausgestattet.«
»Dann sind sie mittlerweile auch für dich nicht mehr zugänglich.«
»Das gilt längst nicht für alle. Ich habe den Scanner. Und ich habe Backups.« Wieder deutete er auf den SUV . »Das hier ist ein rollendes Labor.«
»Erzähl mir keine Geschichten!«
Er ging zu seinem Fahrzeug und öffnete die Tür zum Laderaum. Ein eleganter schwarzer Ledersessel nahm die gesamte Breite der Rückwand ein. Er war so geformt, dass ein Erwachsener mit angezogenen Beinen einigermaßen bequem sitzen konnte. Hyden griff über die Lehne hinweg und schob eine Blende hoch, hinter der sich ein Mega-Computer verbarg.
»Das ist nicht bloß ein Metalldetektor, wenn du das glaubst«, meinte Michael.
Zugegeben, es war mehr als nichts. Aber noch lange kein Grund für Freudentänze.
Hyden sah mich ernst an. »Du hast recht, Callie, die Situation ist schlimm«, sagte er. »Und tragisch. Aber wir dürfen nicht aufgeben!«
Ich blickte von Hyden zu Michael. Sie wirkten beide so stark, dass ich ganz allmählich wieder Boden unter den Füßen spürte. Eine
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