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Enders

Enders

Titel: Enders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lissa Price
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Eugenia in der Rolle einer Großmutter.
    Eugenia. Wie nahm sie es wohl auf, dass Michael und ich so lange verschwunden blieben? Würde sie die Behörden verständigen? Würde sie versuchen, Tyler zu trösten? Ihm vorspielen, dass es uns gut ging? Tyler konnte man nicht so leicht belügen.
    Mehr als nach allen anderen, mehr als nach meiner Freiheit hatte ich Sehnsucht nach meinem kleinen Bruder. Nach seinen kaninchenbraunen Augen, seinem weichen Haar, seinem scheuen Lächeln. Es war so schön gewesen, ihn wieder gesund zu sehen, aber ich hatte kaum Zeit gefunden, das zu genießen, weil wir so plötzlich aus der Villa fliehen und uns verstecken mussten. Und jetzt – hatte sich irgendetwas gegenüber früher geändert? Es schien, als müssten wir immer fliehen und uns verstecken. Nur dass wir jetzt aus größeren und eleganteren Häusern flohen.
    Was würde mit ihm geschehen, wenn ich nicht mehr zurückkehrte? Konnte sich Eugenia um ihn kümmern? Laura hatte seine Vormundschaft übernommen, aber war sie in der Lage, ihn großzuziehen?
    Ich dachte an meinen letzten Aufenthalt in einer Gefängniszelle. Institut 37. Das munterte mich nicht gerade auf.
    Wie lange hatte ich bewusstlos hier drinnen gelegen?
    Dann hörte ich eine Männerstimme in meinem Kopf.
    Callie.
    Ich saß reglos da und horchte in mich hinein.
    Kannst du mich hören?
    Das klang nach Dawson, aber ich war nicht sicher.
    »Wer ist das?«, fragte ich.
    Was glaubst du denn?
    »Keine Spielchen bitte. Ich werde sie gewinnen, denn ich habe offenbar alle Zeit der Welt hier drinnen.«
    Es spielt keine Rolle, wer ich bin. Wichtig ist nur, dass du mich hören kannst.
    Ohne Frage, es war Dawson.
    Und wie fühlst du dich?
    Ich erinnerte mich, dass er mich das schon einmal gefragt hatte – in dem gleichen klinischen Tonfall, der nicht die Spur von Mitgefühl verriet, sondern ein anderes, übergeordnetes Interesse.
    »Müde. Und ich bin es leid, ständig eingesperrt zu werden.«
    Möchtest du die Zelle gern verlassen?
    War diese Frage ernst gemeint? »Ja.«
    Die Tür ging auf. War das ein Trick? Egal, es wäre idiotisch, das Angebot nicht anzunehmen. Ich stand auf und ging nach draußen. Die Bewacherin war nirgends zu sehen.
    Wir brauchen keine Wachen, wenn wir dich beobachten können.
    Konnte er meine Gedanken lesen, oder war das nur seine Reaktion auf den leeren Korridor, den er durch meine Augen sah?
    Falls dich das beschäftigt, ich kann deine Gedanken nicht lesen. Die sind privat und gehören dir ganz allein.
    »Dann sind sie das Einzige, was hier noch privat ist.«
    Am Ende des Korridors erwartete mich eine Tür, die in einen weiteren Korridor führte. Ich folgte ihm nach rechts.
    Ein ziemliches Labyrinth, diese Anlage.
    »Dann erklären Sie mir den Weg zum Ausgang.«
    Er lachte. Ich hasste dieses Lachen in meinem Kopf. Es weckte in mir den Wunsch, ihn mit einem harten, schweren Gegenstand niederzuschlagen. Als ob mir das geholfen hätte.
    Auch dieser Gang endete an einer Tür. Ich öffnete sie und erblickte eine Art Kinderzimmer. Tische mit bunten Holzklötzen und Puzzles säumten den Raum. Aber nirgends waren Kinder zu sehen. Und das Ganze wirkte zu aufgeräumt, zu arrangiert.
    Ich sehe, du bist im Spielzimmer angekommen. Warum nimmst du nicht Platz?
    Ich durchquerte den Raum bis an die Tür, die dem Eingang genau gegenüberlag, und betätigte den Drehknopf. Abgeschlossen. Also kehrte ich um und probierte es an der Tür, durch die ich das Zimmer betreten hatte. Sie war mittlerweile von außen versperrt.
    Du solltest dich wirklich setzen.
    Offenbar saß ich nun in diesem fensterlosen, verschlossenen Raum fest. Das war ein großartiger Erfolg. Ich zog einen Stuhl heran und nahm Platz.
    Vor dir liegen mehrere bunte, unterschiedlich geformte Holzklötze. Kannst du bitte den roten Kreis hochheben?
    Was sollte dieses lächerliche Spiel? Ich hob das rote, runde Ding hoch und hielt es vor mein Gesicht, damit er es gut sehen konnte.
    Perfekt. Leg ihn auf das Tablett vor dir.
    Ich tat, was er verlangte.
    Nun streck die Arme aus und leg deine Hände flach auf den Tisch, ganz locker und entspannt.
    Ich hatte keine Ahnung, was dieser Test sollte. Das alles erschien mir zu einfach.
    »Wenn ich Ihre Anweisungen befolge, lassen Sie mich dann …«
    Eins nach dem anderen. Bleib einfach ruhig sitzen, bis du die nächste Aufgabe erhältst.
    Ich wartete ein paar Sekunden. Dann geschah das Entsetzliche.
    Mein rechter Daumen bewegte sich. Nur erhielt er den Befehl dazu nicht von

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