Enders
– liebst du ihn ?«
Mir schmeckte dieses Verhör nicht. Je weniger ich preisgab, desto besser. Außerdem ging ich davon aus, dass wir von Kameras gefilmt wurden.
»Nein«, sagte ich. »Auch nur ein Freund von mir. Wo ist er jetzt?«
»In einer anderen Zelle. Er hat sich ebenfalls geweigert, die letzten Tests mitzumachen.«
Ich stellte mir vor, dass sie Hyden befohlen hatten, auf ein Holo von mir zu schießen. Und ich freute mich, dass er es nicht getan hatte. Michael dagegen hatte sich allen Tests unterworfen. Ob sie auch von ihm verlangt hatten, auf mein Abbild zu schießen?
Sie fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Es dauert nur alles viel länger, wenn ihr Widerstand leistet.«
»Was meinst du damit? Wurden vor uns schon andere Metallos getestet?«
Sie nickte langsam.
»Wo sind sie jetzt?«
»Darüber darf ich keine Auskunft geben.« Wieder wickelte sie eine Strähne um die Finger. »Ich wollte dich etwas fragen. Sie behaupten, dass du meine Großmutter kanntest.«
»Das haben sie dir erzählt?«
»Ja. Dass sie deinen Körper mietete. Stimmt das?« Sie erschien mir aufmerksamer als bei unserem ersten Gespräch. Nicht so geistesabwesend.
»Woher weiß ich, dass du tatsächlich Emma bist?«
»Ich dachte, das hätte ich dir bei unserer letzten Begegnung bewiesen. Das Bettelarmband – du erinnerst dich?«
»Vielleicht hast du zugehört, als Emma und ich uns unterhielten«, wandte ich ein.
»Meine Großmutter besaß eine Pistole, die sie in ihrem Schlafzimmer aufbewahrte.«
»Das tun viele Enders.«
»In einem Geheimfach unter dem Wandschrank, von einem Teppich verdeckt? Eine Glock 85?«
Das reichte mir. »Okay.«
»Sie sagte immer, es sei besser, vorbereitet zu sein, als Angst zu haben. Ich glaube, der Krieg hatte sie verändert.«
»Der Krieg hat viele von uns verändert.«
»Das Einzige, was ich ihr richtig verübelte, war, dass sie mir verbot, einen Schönheitschirurgen aufzusuchen. Ich wollte mir die Nase operieren lassen. Meine Mutter hätte das erlaubt, wenn sie noch am Leben gewesen wäre. Das sagte ich meiner Großmutter auch. Und da brach sie in Tränen aus. Ich weiß nicht, ob sie weinte, weil meine Worte sie verletzten oder weil sie so große Sehnsucht nach ihrer Tochter hatte. Wenn ich eines Tages zu ihr zurückkehren sollte, werde ich ihr sagen, dass es mir leidtut. Das ist eine Sache, über die ich oft nachdenke und die mir sehr am Herzen liegt.«
Ich konnte Emma in diesem Moment nicht die Wahrheit sagen. Sie war noch nicht bereit, sie zu hören.
»Obwohl ich ihr Verbot einfach nicht verstehe«, fuhr sie fort. »Ich hatte keine schöne Nase.«
Ich erinnerte mich an ihren Holo-Frame und verstand, was sie meinte, aber ich musste an all die berühmten Holo-Stars mit stark ausgeprägten Nasen denken. Es war ein besonderes Merkmal, das sie vom Durchschnitt abhob.
»Emma, ich habe Bilder von dir gesehen. Aus der Zeit vor der Operation. Du hattest die Nase deiner Großmutter. Sie passte zu dir. Das Äußere ist lange nicht so wichtig wie das Innere.«
»Du hast leicht reden.« Sie musterte mich vom Scheitel bis zur Sohle.
»Klar, ich erhielt ein Makeover, genau wie du, aber es hat mich nicht wirklich verändert. Eines Tages werden wir beide Enders und trotz Grünlaser-Behandlung alt und faltig sein. Wie alle anderen Menschen. Aber wir werden sehr viel besser aussehen, wenn wir in unseren Herzen glücklich sind. Wenn wir unseren Verstand und unsere Talente eingesetzt anstatt uns ständig Sorgen um unser Aussehen gemacht haben werden.«
Emma runzelte die Stirn. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie das ist. Du warst vermutlich nie hässlich.«
»Du auch nicht. Natürlich will jede von uns das Beste aus sich machen. Dagegen ist nichts einzuwenden. Aber Schönheitsoperationen mit sechzehn? Oder gar mit dreizehn und zwölf? Ich möchte wetten, dass du ein paar dieser Ziegen kanntest, die wie Holo-Stars aussahen.«
»Klar.«
»Und nun lass mich mal raten. Kein Mensch wollte mit denen etwas zu tun haben, weil sie unausstehlich waren.«
Sie nickte, als erinnerte sie sich.
»Ich sage dir, wenn ich eine Lehre aus diesem ganzen Body-Bank-Blödsinn gezogen habe, dann ist es die Erkenntnis, dass gutes Aussehen total überbewertet wird. Schönheit hat nichts damit zu tun, dass du mit den Holo-Stars mithalten kannst, sondern dass du dich akzeptierst, wie du bist. Die Fassade lässt sich ändern. Aber du selbst bleibst einzigartig.«
Sie starrte mich an, als sei ich
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