Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
Gestalt, die Haare an seinem Körper und wie seine Eier schwingen, wenn ihr Gewicht nicht von einer Unterhose gehalten wird. Ich mustere seinen Penis, dieses eigensinnige, ewig neugierige Geschöpf mit dem Insiderwissen über mich. Die Banalität des Nacktseins, das Kissenaufschütteln und die Diskussion darüber, ob und was wir im Bett noch fernsehen wollen, existieren parallel zu dem eigentlich grotesken Gedanken, dass er diesen Penis in mich reinsteckt. Auf einmal erscheint mir das alles nur noch absurd, zum Totlachen.
Dennoch finde ich, dass nur wenige Dinge so verlässlich sind und so klar in ihrem Ziel. Mag das Leben ein Wirrwarr aus Widersprüchen und Ambivalenzen sein, ein erigierter Penis ist eindeutig und glücklich mit dem, was er gestern hatte … und vorgestern und vorvorgestern. Wie ein kleiner alter Herr, der seit fünfzig Jahren jeden Tag bei demselben Imbiss sein Roastbeef-Roggen-Sandwich mit Gurke und Senf bestellt. Zufrieden.
Frank ist zwar etwas ungeschickt mit den Händen, dafür aber umso flinker mit dem Mund (er wäre jedenfalls ein besserer Saxophonspieler als Schneider geworden). Wir weichen selten vom Erprobten ab. Wie er gern sagt: »Was die Zunge kann besorgen, schaffen die Finger frühestens morgen.« Wenn er es hin und wieder mit einem neuen Schnörkel oder mehr Druck als üblich versucht, versetze ich ihm manchmal einen Klaps auf den Hinterkopf und sage: »Verkünstele dich nicht. Kein roter Teppich, keine Kronleuchter, bitte.« Jetzt, da ich fast sechsunddreißig Stunden mit Kronleuchtern verbracht habe, muss ich sagen, dass sie mir nichts bringen. Verkünstelung wird völlig überschätzt. Ich frage mich, ob er weiß, wie kostbar mir die Alltäglichkeit und die Unverkünsteltheit unserer Beziehung sind. Ich sollte ihm wirklich öfter einen blasen.
»Wie alt warst du, als du zum ersten Mal jemandem einen geblasen hast?«, frage ich Helen.
»Ungefähr sechzehn. Und du?«
»Vierzehn.«
»Und du glaubst, Jamie hat noch nicht …?«
»Sie ist viel unschuldiger, als ich es in ihrem Alter war.«
»Aber ihren ersten Kuss hat sie hinter sich?«
»Nein. Das hätte sie mir erzählt.«
»Hast du deiner Mutter von deinem ersten Kuss erzählt?«, fragt CJ.
»Nein.«
Nur zu gern würde ich behaupten, ich sei ganz sicher, dass Jamie noch niemanden geküsst hat. Aber ich muss zugeben, dass ich es nicht weiß. Sie zieht sich von mir zurück. Früher hatte ich mindestens ein Mitspracherecht beim Inhalt ihres Kleiderschranks, bei ihrem Umgang, ihrer Schlafenszeit … Heute bittet sie mich anzuklopfen, ehe ich ihr Zimmer betrete, weist sämtliche Klamotten zurück, die ich an sie weitergeben will oder ohne ihre Zustimmung für sie gekauft habe, und vergisst oft, mir einen Gutenachtkuss zu geben, ehe sie Gott weiß wann ins Bett geht.
Ich werde zunehmend weniger gebraucht und habe jetzt mehr Zeit für mich. Für mein eigenes Leben. Das ist doch gut, oder? Diese Freiheit bringt allerdings auch eine Herausforderung mit sich. Es ist schwerer, einen Menschen zu lieben, der einem die eigene Widersprüchlichkeit vorhält, Dinge ablehnt, die man extra für ihn aufgehoben hat, und die kostbaren Geschenke umtauscht, die man so liebevoll ausgesucht hat. Der Trick besteht darin, das alles nicht persönlich zu nehmen.
Erst letzte Woche habe ich entdeckt, dass die Tasche mit der Aufschrift »BIG = Beautiful Intelligent Girl «, die ich eigens für Jamie im Internet gekauft hatte, zerknittert und unbenutzt auf dem Boden ihres Kleiderschranks lag. Als ich sie fragte, ob sie die Tasche nicht möge, verdrehte sie die Augen und erwiderte: »Glaubst du wirklich, dass ich mit einer Tasche herumlaufe, auf der was Ähnliches steht wie ›Big is Beautiful‹? « Als ob »big« ein Schimpfwort wäre, dabei bedeutet es lediglich »groß«. Als sie ihre erste Periode hatte, habe ich ihr ein knallrosa Unterhemd mit dem Aufdruck Wovon man träumt, das erreicht man auch gekauft. Ich musste mit den Tränen kämpfen, als ich es in einem Haufen Kleidung wiederfand, die sie zum Weggeben aussortiert hatte. Das Preisschild hing noch daran.
Neulich brachte Helen ein paar abgelegte Sachen von Nathan für Aaron vorbei. Als sie zufällig einen Blick auf Jamies chaotisches Zimmer erhaschte, sagte sie: »Was für ein Saustall.« Ich erzählte Jamie, was Helen gesagt hatte, in der Hoffnung, die Scham könnte sie zum Aufräumen bringen. Stattdessen sagte sie: »Du hast mir beigebracht, dass es nicht wichtig ist, was andere Leute
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