Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
wiederfindet, der hinter einem Lenkrad sitzt, nachdem seine Mannschaft ein Fußballspiel verloren und er sechs Bier getrunken hat.
Maeve hat es selbst gesagt: Zurzeit läuft er mit einem nur halb funktionstüchtigen Gehirn herum. Und es wird noch vierzehn Jahre dauern, bis daraus ein vollständig entwickeltes Gehirn wird. Also, was jetzt? Soll ich vielleicht sein präfrontaler Kortex sein, bis ihm ein eigener gewachsen ist?
»Ich brauche eine Bedienungsanleitung, Maeve. Ich habe keine Ahnung, wie ich es anstellen soll.«
Maeve lacht. »Die westliche Welt ist die einzige Kultur auf Erden, die aus der Kindererziehung eine kommerziell verwertbare Wissenschaft gemacht hat. Diese Flut von Erziehungsratgebern zerstört das einzige wirklich zuverlässige Werkzeug, das wir als Eltern besitzen: unsere Intuition. Benjamin Spock hatte recht – Mütter wissen mehr, als sie glauben.«
»Aber bei Aaron liegt meine Intuition völlig daneben. Ich habe jeden Ratgeber gelesen, den es gibt, und sämtliche Empfehlungen beherzigt.«
»Mein Vorschlag wäre: Vergiss die Bücher!«
»Moment mal, alles, was ich über Erziehung weiß, habe ich aus Büchern gelernt.«
»Nicht von deinen Kindern? Vielleicht sind deren Methoden dir bloß nicht angenehm. Womöglich bist du gar nicht so viel anders als Aaron, der Sachen von sich gibt wie … was war das noch? ›Diese Schule ist Scheiße.‹«
Wie könnten Aarons Erziehungsmethoden irgendjemandem angenehm sein? Niemand fühlt sich gern dumm und unzulänglich. Ich hatte früher in allem eine Eins, bei ihm dagegen komme ich mir vor wie eine Vier-Minus-Mutter.
Ich brauche mehr von Maeve, aber ich weiß selbst nicht recht, worum ich sie da eigentlich bitte. Ich betrachte die Rosenbüsche, die uns in zwei großen Kringeln blühender Trauer umgeben. Wir stehen auf geheiligtem Boden.
»Und vor allem: Was du über dich selbst erkennen musst, wird sich in deinem Kind zeigen.«
Ich versuche, den Satz zu verstehen.
»Jonahs Wut, die mir solche Angst einflößte, hat die Tür zu der unerträglichen Wahrheit aufgeschlossen …«
Ich wage kaum zu atmen.
»… dass ich selbst so verdammt wütend war – auf meine Mutter, auf Solange, sogar auf Jonah, weil er mich so gierig brauchte und weil er der einzige Mensch war, den ich auf dieser Welt noch hatte.«
Maeve hat »verdammt« gesagt.
»Was hast du dann getan?«, flüstere ich.
»Ich bin während seiner Wutanfälle bei Jonah geblieben, statt ihn in sein Zimmer zu verbannen. Ich habe den Schmerz zugelassen, ihn aufflammen lassen und nicht die Augen davor verschlossen. Am Anfang dachte ich, dass ich seine Abscheulichkeit nicht überlebe, die Flut seiner Beschimpfungen. ›Ich hasse dich. Ich wünschte, ich wäre tot. Ich wünschte, du wärst tot.‹ Diese netten Kleinigkeiten, die Mütter so gern hören.« Sie lacht. »Aber dann, eines Tages, sagte er plötzlich: ›Nimm mich bitte in den Arm.‹« Maeve setzt ihre Sonnenbrille wieder auf.
Das war’s. Maeve ist am Ende ihrer Geschichte angelangt.
Ich will, dass sie mehr erzählt, dass sie die Lücken ausfüllt. Aber es kommt nichts mehr. Ich kann jetzt damit machen, was ich will. Mit Sicherheit werde ich später einmal an diese Unterhaltung zurückdenken und ihren unschätzbaren Wert begreifen.
Maeve steht auf, klopft sich den Staub von der Hose und geht mit wippendem Sonnenhut voran. Ich bleibe zurück, mit dem Bild eines Jungen vor Augen, noch nicht ganz zum Mann geworden, der sich in die Arme seiner Mutter schmiegt. Die Mauer zwischen ihnen ist gefallen.
20 Unsere Mütter verlassen
W as zum Teufel ist das?«, fragt Helen und späht mir über die Schulter.
Auf der Küchentheke tummeln sich meine Vorbereitungen fürs Abendessen.
»Quinoa-Rote-Beete-Salat.«
»Was ist das Erste?«
»Quinoa. Ein gesundes Getreide. Mehr Proteine als Kohlehydrate.«
»Nur du kannst so etwas Ausgefallenes und Gesundes zum Abendessen servieren.« Helen lacht leise.
»Hast du es schon mal probiert?«, frage ich streng.
»Ich weiß nicht, ob ich das möchte«, sagt sie. »Ist das alles, was es gibt?«
»Ich habe noch Suppe.«
»Du willst uns wohl heute Abend alle hungern lassen? Sag mir bitte, dass du noch eine Entenbrust gemacht hast.«
»Ente ist extrem fett.« Ich weiß genau, dass sie das weiß.
Sie steckt sich einen Löffel voll Quinoa-Salat in den Mund und kaut.
Einen Moment lang blickt sie unsicher drein. Dann nickt sie. Ihre Augen lächeln. Das liegt am Ingwer, dem Knoblauch und
Weitere Kostenlose Bücher