Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
aufwächst.
Jetzt, da er sie doch haben will, fühle ich mich im Innersten geschwächt und betrogen. Ich weiß noch genau, dass ich damals gesagt habe: »Es gibt einen Punkt, an dem es unser gutes Recht ist, uns von unseren Kindern abzuwenden.« Das war vielleicht ein bisschen selbstgerecht. Wir stellen alle irgendwann fest, dass unsere Kinder uns einprogrammiert sind, mit dem genetischen Code unserer DNS verwachsen. Uns bleibt gar nichts anderes übrig, als sie zu lieben, selbst wenn sie uns zwingen, all unseren Werten zuwiderzuhandeln.
Andererseits muss ich da jedes Mal an Susan Klebold denken, die Mutter von Dylan – einem der Amokläufer von Columbine. Ich habe letzte Woche einen Beitrag von ihr in einer Zeitschrift gelesen, in dem sie schreibt, sie habe nicht im Entferntesten geahnt, dass ihr Sohn selbstmordgefährdet oder zu solchen Gewalttaten fähig sei. Danach dachte ich: Wie kann man als Mutter die Anzeichen von so etwas übersehen? Das könnte mir nie passieren, mir und meinem Kind. Ich würde es merken. Ich würde es auf jeden Fall merken.
Wenn ich Helen jetzt so ansehe, spüre ich zwar ihre Angst um Levis unvorhersehbare Zukunft, aber auch eine besondere Zärtlichkeit, die nicht da ist, wenn sie von ihren anderen Kindern spricht. Ihre Liebe zu ihm wird durch seine Andersartigkeit ausgedehnt, sie wird größer. Vielleicht stärken unsere Kinder unsere Fähigkeit, auch das an ihnen zu lieben, was uns schmerzt – wir können sehr wohl Kinder lieben, die hässlich sind, kränklich, inkontinent, unerzogen, ja sogar gewalttätig. Wir können das lieben, was an ihnen am wenigsten liebenswert ist und was wir an uns selbst nur verabscheuen könnten. Ja, das glaube ich.
»Macht es dir zu schaffen?«, frage ich Helen, weil ich nicht weiß, wie ich meine Gedanken in Worte fassen soll.
Helen trinkt noch einen Schluck Champagner und seufzt. »Levi ist anders. Sieht ganz so aus, als hätte er einen harten Weg vor sich. Deshalb muss er die Gewissheit haben, dass er in seiner Familie völlig sicher ist. Dass wir ihn so lieben, wie er ist.«
Dann richtet sie sich auf und sagt mit leiser Stimme: »Flipp jetzt bloß nicht aus … Fang ja nicht an zu schreien, aber da ist eine Schlange ungefähr drei Meter hinter dir …«
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I ch flippe natürlich doch aus. Ich schreie und kreische und schütte mir den Champagner über die Brust. Eine Schlange! Sie verschwindet blitzschnell im Gebüsch. Ich sehe sie nicht einmal mehr.
Ich schnappe mir BH und T-Shirt und renne den ganzen Weg zurück zum Haus, dass meine Brüste im Wind nur so flattern. Jetzt weiß ich wieder, warum ich nie zelten gehe. Oder wandern. Die freie Natur wimmelt nur so von tödlichen Gefahren. Und wir sind hier verdammt weit weg vom nächsten Krankenhaus. Wie mag das erst in Borneo sein? Gibt es überhaupt einen Erste-Hilfe-Kasten in diesem Haus? Meine Beine sind nach einer halben Stunde am Wasser total zerstochen. Ich habe nicht daran gedacht, etwas gegen Mücken einzupacken. Meine Brüste hingegen haben nicht einen Stich abbekommen. Anscheinend wollen nicht einmal Moskitos allzu tief sinken.
Als ich die Veranda erreiche, ziehe ich mir das T-Shirt über und schaue mich nach Helen um. Sie ist noch unten am Damm und inzwischen ebenfalls in ihr T-Shirt geschlüpft – und unterhält sich mit einem jungen Mann, der einen breitkrempigen Strohhut und Khakishorts trägt. Sein Hemd ist bis zur Taille aufgeknöpft, und sein plötzliches Erscheinen legt nahe, dass er uns heimlich beobachtet hat, während wir oben ohne in der Sonne lagen. Helen lacht und zeigt auf mich. Die beiden kommen aufs Haus zu.
Er muss um die fünfundzwanzig sein, hat hellblondes Haar und kurze Bartstoppeln. Seine Oberarme wirken wie aufgepumpt, der Rücken ist sehr breit. Er hat weiche braune Rehaugen, große Hände und starke Arme mit deutlich hervortretenden Adern. Ich kann seinen mit Deo vermischten Schweiß bis hierher riechen und zweifle nicht daran, dass der Kerl jederzeit in der Lage wäre, eine Frau an die nächste Wand zu drücken und sie sich zu Willen zu machen, wenn ihm danach ist.
»Das ist Callum – der Gärtner«, trällert Helen.
»Hallo, Callum.« Ich strahle ihn an.
»Matilda hat Sie also zu Tode erschreckt«, sagt er und lächelt.
Oje. Grübchen.
»Matilda?«
»Unser Diamantpython.«
»Schlangen liegen ein klitzekleines Stückchen außerhalb meiner Komfortzone.«
»Matilda bringt schon keinen um. Na ja, außer Ratten und
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