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Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)

Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)

Titel: Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Fedler
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durchschaut. Jamies finsterste Launen korrelieren unweigerlich mit einer neuen Episode von Internet-Gemeinheiten. He, ich war schließlich auch mal ein Teenager. Und nicht mal ein besonders fieser. Allerdings erinnere ich mich – sehr ungern – an das Mädchen, das wir »Stampfer« nannten (wegen ihrer dicken Beine). Niemand, mich eingeschlossen, wählte sie je in seine Mannschaft oder ließ sich zu einer einzigen freundlichen Geste in ihre Richtung herab. Den stahlharten Ausdruck in ihren Augen, mit dem sie die Feindseligkeit auf den Fluren der Schule ertrug, werde ich nie vergessen. Heute weiß ich, dass es ein Ausdruck von Mut war. Ich kann nur staunen, dass sie es fertiggebracht hat, jeden Tag in der Schule zu erscheinen in ihrer Uniform in Übergröße und mit dem erdbeerroten Lipgloss, den sie in tapferem Trotz stets auflegte. Aber Stampfer, deren richtiger Name Anthea lautete, war wirklich dick. Eine wandelnde Zielscheibe. Keine Chance, sich durch Unsichtbarkeit vor den kreischenden, quietschenden Verletzungen zu schützen, die junge Mädchen einander so einmalig gekonnt zufügen. Was hat Jamie an sich, das sie zur Zielscheibe macht? Diese Sorge wühlt mich innerlich auf.
    Helen hat entspannt die Arme ausgebreitet. Hinter ihrer Sonnenbrille könnte sie glatt schlafen und endlich einmal Ruhe von dem nervtötenden Tinnitus gefunden haben, daher störe ich die Stille nicht. Meinem iPhone zufolge ist es halb vier Uhr nachmittags. Aaron geht jetzt gerade mit zu Samson nach Hause, der einige Kartentricks kann, aber nie verrät, wie sie gehen. Ich weiß genau, dass er Call of Duty zu Weihnachten bekommen hat, demnach wird Aaron den Nachmittag in einem Kriegsgebiet verbringen, bis zum Kinn in virtuelles Blut gebadet. Schön. Über sein Gewissen habe ich keine Kontrolle.
    Heute werde ich zum allerersten Mal Jamies Auftritt im Debattierclub der Schule versäumen. Ihr ist das natürlich völlig schnuppe. Und Frank habe ich genaue Anweisungen hinterlassen: Aaron muss um halb sechs abgeholt werden und Jamie um Viertel vor sechs. Zum Abendessen braucht er nur die Bolognese-Sauce aufzuwärmen, die ich in den Kühlschrank gestellt habe, und die Fusilli zu kochen. Die Kinder werden trotzdem quengeln, weshalb er nachgeben und mit ihnen Hamburger essen gehen wird. Aber das ist nicht mein Problem. Während der kommenden achtundvierzig Stunden brauche ich an niemanden zu denken außer an mich selbst. Ich kann einfach nur hier herumliegen und nichts tun, in einer Zeitschrift blättern, mir das Nachmittagsprogramm im Fernsehen reinziehen oder spazieren gehen und den Garten erkunden – sofern wir Callum finden, der uns die Fauna vom Leibe hält. Ich spiele mit den Schnürsenkeln meiner neuen Turnschuhe.
    Ich sollte diesen besonderen Tag feiern. Stattdessen hänge ich hier mit meiner Freundin Helen herum, die halb weggedöst und halb durchgebraten ist, und tue etwas, das sich ganz so anfühlt, als vermisste ich meine Kinder. Ich bin dermaßen lächerlich. Vierzehn Jahre lang habe ich die Bedürfnisse aller anderen vor meine eigenen gestellt. Freie Zeit fühlt sich irgendwie falsch an, wie gestohlen. Ohne die parasitären, klaustrophobischen, alles verschlingenden Bedürfnisse und Wünsche meiner Kinder bin ich der Welt schutzlos ausgeliefert. Und so gut wie nutzlos. Vielleicht sind Kinder ja nur ein besonders ausgeklügeltes Mittel gegen Langeweile. Oder schlimmer noch, eine Verleugnung der eigenen Bestimmung im Leben.
    »Ich hatte früher richtig tolle Titten«, sagt Helen unvermittelt. Ich schrecke auf. »Ohne Übertreibung. Porno-Titten hat David damals gesagt.«
    »So toll, ja?«, entgegne ich.
    »Zwei perfekte, straffe, feste Titten im Format Doppel-D bei einem Brustumfang von einundneunzig Zentimetern.«
    »Du Glückliche!«
    »Im Sommer zweiundneunzig haben sie mich praktisch umsonst kreuz und quer durch Europa gebracht. Ich habe nicht eine einzige Fahrkarte gekauft, sondern immer nur den Daumen rausgestreckt. Und ich glaube, ich musste nicht einen Drink selbst bezahlen.«
    »Wie praktisch.«
    »Jetzt ist leider nicht mehr viel davon zu sehen. Sie fehlen mir.«
    »Zumindest hattest du sie eine Zeitlang.«
    »Ja …« Sie räkelt sich wie eine Katze und streicht dann mit beiden Händen über ihre Brüste.
    »Wie lange hast du insgesamt eigentlich gestillt?«
    »Acht Jahre«, sagt Helen und hält ihre Brüste so zärtlich umfangen, wie man die Hand eines Sterbenden streicheln würde.
    »Ich hatte mal einen Bauch so flach

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