Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
zu räumen und der nächsten Generation zu überlassen. Sarah hatte kürzlich ihre erste Periode. Eine menstruierende Frau im Haus ist mehr als genug.«
Ich kann kaum glauben, dass wir am Ende der Funktionsfähigkeit unseres Uterus angelangt sind, während unsere Töchter gerade am Anfang stehen.
Meinem »Baby« Jamie wachsen jetzt eigene Brüste, und ich sehe ihnen dabei zu wie einem aufgehenden Hefeteig. Das ruft in mir eine Zwiespältigkeit hervor, die mir so fremd ist, dass sie mich regelrecht schockiert. Dabei zuzusehen, wie meine Tochter jene körperlichen Merkmale entwickelt, die mir erlaubt haben, ihr das Leben zu schenken, ist beinahe so, als schaute ich in einen Spiegel. Ich möchte, dass sie all das an sich mag, was sich in der Heimlichkeit ihrer Pubertät entfaltet. Ich will sie nicht zwingen, die neurotischen Zwänge, gesellschaftlichen Normen und kranken Regeln des Frauseins in- und auswendig zu lernen wie das Einmaleins. Als ihr die ersten Haare an den Beinen wuchsen, wollte ich das nicht zum Thema machen, weil ihr das Gebot haarloser Unterschenkel noch völlig gleichgültig war. Auf keinen Fall wollte ich ihre kindliche Seifenblase platzen lassen, in der jeder Mensch schön und etwas Besonderes ist. Ich wollte warten, bis sie mich von sich aus fragte »Mum, kann ich mir die Achseln rasieren?« Irgendwann habe ich ihr dann doch einen Damenrasierer mit schriftlicher Anleitung aufs Bett gelegt, weil mir vor den Hänseleien graute, die ihr drohten, wenn ich nicht einschritt.
Als Jamie noch ein kleines Mädchen und vollkommen unschuldig war, fühlte sich die Tatsache, dass sie aus mir hervorgegangen war, so wunderbar an, wie ihr Morgenatem roch. Meine erschlaffenden Brüste, das Massaker an meinen Bauchmuskeln, die körperlichen Entstellungen waren ein geringer Preis für die Schönheit, die sie mit sich brachte. Wir beide waren verschiedene Ableger eines einzigen lebendigen Dings. Jetzt ist sie schon fast so groß wie ich, trägt dieselbe Schuhgröße, borgt sich mein Make-up und haut mir meine eigenen Worte um die Ohren – Manipulier mich gefälligst nicht … Brich dir nur nichts ab … Ja, ich mach’s ja gleich … Der dicke, süße Sirup unseres Einsseins hat sich zu Wasser verdünnt und ist durch uns hindurchgesickert. Jetzt bildet er nicht mehr unsere Knochen und Sehnen, sondern ist lediglich eine Geschichte, eine philosophische Anschauung darüber, wie sie hierhergekommen ist.
Ich erinnere mich an ein Baby, das sich in mir bewegt hat. Ich erinnere mich daran, zum ersten Mal ein winziges Geschöpf in den Armen gehalten zu haben, und daran, wie meine Milch durch meinen Körper strömte wie ein Nebenfluss, der an ihren Lippen mündete. Doch diese große, streitbare, mal pampige, dann wieder prachtvolle werdende Frau – in ihr erkenne ich das Lebewesen nicht wieder, an das ich mich erinnere. Ich weiß, dass sie es ist. Ich habe ihre Metamorphose vom zappelnden Würmchen in Windeln zur Zauberstab schwingenden, auf Bäume kletternden Nymphe verfolgt, vom ulkigen Mäuschen mit Zahnlücken zur unbeholfenen Leseratte. Sie hat sich immer weiter entwickelt, zu diesem seltsamen, stillen, witzigen, nachdenklichen Teenager, der gerne Comedians zitiert. Aber es gibt da diese geistige Kluft zwischen meinem Wissen und dem, was mir davon konkret im Alltag wieder einfällt – erschreckend wenig manchmal. Ich vermisse die unkomplizierte Co-Abhängigkeit, die Zeit, in der meine Liebe zu ihr nicht Gegenstand von Verhandlungen war, nicht beeinträchtigt von Launen, unangebrachten Wutausbrüchen oder Hormonen, sondern einfach immer da, so frisch wie Muttermilch.
»Das geht alles so schnell«, bemerke ich. »Kannst du dir vorstellen, wie unser Leben ohne sie aussähe?« Ich lache, doch es klingt leicht hysterisch.
Helen schweigt eine Weile.
»Ich weiß nicht … Das ist mein Leben, oder? Das, was ich jeden Tag tue. Und, ja, es ist toll, das Haus ist erfüllt von Lärm und Leben, von bunten Bällen, Musikinstrumenten, Zeichentrick-Pinguinen und Schoko-Pops – aber mein Leben besteht nur noch daraus. Also, buchstäblich. Ich verbringe praktisch den ganzen Tag im Auto. Irgendein Kind muss immer zum Arzt, braucht neue Schuhe für die Schule, hat Orchesterprobe, oder es ist Elternabend oder schon wieder irgendein Kindergeburtstag. Manchmal frage ich mich schon, wie es wäre, wenn ich einen anderen Weg eingeschlagen hätte.«
»Midlife-Crisis«, diagnostiziere ich.
»Ich will damit nicht sagen, dass ich
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