Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Titel: Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Brady
Vom Netzwerk:
Selbst die Tatsache, dass der isländische Außenminister David Oddsson einen Ausländerpass für Bobby organisiert hatte – eine unbegrenzte Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis –, überzeugte die japanischen Bürokraten nicht. Die bestanden weiter darauf, Bobby in die USA abzuschieben, sobald alle juristischen Schlachten geschlagen waren.
    Die Mitglieder des RJF-Komitees machten sich schon an die Abreise, enttäuscht, dass sie so wenig hatten ausrichten können, da überbrachte Suzuki ihnen eine gute Nachricht: Ein Abgeordneter des japanischen Parlaments war bereit, sich mit dem Komitee zu treffen und auszuloten, wie er helfen könne. Er habe sich die Sache angesehen und stehe auf Bobbys Seite.
    Das Treffen fand in aller Heimlichkeit statt, und der Abgeordnete, der in Oxford studiert hatte und makelloses Englisch sprach, bat um Stillschweigen. Heimlich, hinter den Kulissen, glaubte er, mehr bewegen zu können. Und tatsächlich schaffte er es, Mizuho Fukushima, die Vorsitzende der oppositionellen Sozialdemokratischen Partei, für die Sache zu interessieren. Sie versprach, sich für Bobby einzusetzen. Sie kritisierte die japanische Justizministerin Chieko Nohno öffentlich wegen der Festnahme und Inhaftierung und bat sie, den Fall noch einmal zu überdenken. Das brachte zwar noch nicht die Wende, doch langsam schien sich der Wind zu drehen. Als Bobby sah, wie sich die kleinen Vorteile langsam addierten – der Schachgigant Wilhelm Steinitz hatte die Ansammlung winziger Vorteile als wichtigste Schachstrategie beschrieben –, schöpfte er Hoffnung, wenn auch nur vorsichtig.
    Die Mitglieder des RJF-Komitees reisten also erneut nach Japan und arbeiteten rund um die Uhr daran, das Parlament für den Fall zu interessieren. Sie warnten, die Zeit laufe davon, wenn man Fischer noch Gerechtigkeit widerfahren lassen wolle. Bald würde er nach Amerika ausgeliefert und dort vermutlich zehn Jahre ins Gefängnis gesteckt.
    Trotz aller Solidarität mit Bobby kritisierte der isländische Schachbund allerdings dessen Aussagen in strengster Form. Damit sollte klargestellt werden, dass man Bobby aus rein humanitären Gründen aufnahm, nicht aus weltanschaulichen:
    Der isländische Schachbund ist sich der obszön antisemitischen und antiamerikanischen Aussagen natürlich bewusst, die Bobby Fischer im vergangenen Jahr bei verschiedenen Gelegenheiten gemacht hat. Der Verband findet diese Ausfälle grässlich und sieht in ihnen Zeichen für einen verwirrten, kranken Geist. Doch 1992 bestand Bobby Fischers Verbrechen einzig darin, nach Jahren der Isolation wieder Schach zu spielen. Der isländische Schachbund drängt den Präsidenten der Vereinigten Staaten, Bobby Fischer zu begnadigen und ihn ziehen zu lassen.
    Der Brief ging an Präsident George W. Bush. Er wurde nie beantwortet.
    Zwölf Jahre zuvor, nur Monate nach Eröffnung des Strafverfahrens gegen Bobby 1992, war Bill Clinton zum amerikanischen Präsidenten gewählt worden. David Oddsson, damals isländischer Premierminister, war zu jener Zeit im Weißen Haus vorstellig geworden und hatte einen der wichtigsten Berater Clintons persönlich gebeten, die Anklage gegen Fischer fallen zu lassen. Ihm wurde beschieden, Clinton wolle sich in diese Angelegenheit lieber nicht einmischen. Oddsson fand das »ungewöhnlich«: »Wenn der Regierungschef eines Landes in einer relativ unwichtigen Angelegenheit (wenn man das große Ganze betrachtet) eine persönliche Bitte äußert, dann wird ihr normalerweise entsprochen.«
    Spasski hatte nach 1992 in Frankreich wegen des Matches auf Sveti Stefan keine Probleme bekommen, ebenso wenig wie Lothar Schmid in Deutschland. Tatsächlich war Bobby Fischer weltweit der einzige Mensch, der wegen des Verstoßes gegen das präsidentielle Dekret von Präsident Bush sen. angeklagt wurde.
    Um zu verhindern, dass Fischer nach Island entwischte, intensivierten mehrere amerikanische Strafverfolgungsbehörden ihre Bemühungen und übten verstärkten Druck auf Japan aus, ihn auszuliefern. Ein Großes Geschworenengericht in Washington initiierte eine Untersuchung gegen Fischer, wegen des Verdachts, er habe nach seinem Kampf gegen Spass­ki gegen das Geldwäschegesetz verstoßen. Die Anwälte Fischers hielten diesen an den Haaren herbeigezogenen Vorwurf für einen Versuch, das öffentliche Ansehen Fischers zu beschädigen. Und tatsächlich wurde in der Sache nie Anklage erhoben.
    Als Nächstes schaltete sich der amerikanische Botschafter in Island, James Gadsen, ein.

Weitere Kostenlose Bücher