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Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Titel: Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Brady
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Er drängte die isländische Regierung, das Angebot, Bobby Fischer aufzunehmen, zurückzuziehen. David Oddsson als Außenminister bestellte Gadsen daraufhin zu sich ins Büro und weigerte sich kategorisch, einen Rückzieher zu machen. Nach isländischem Recht sei Fischers Verbrechen, gegen Sanktionen verstoßen zu haben, verjährt.
    Vielleicht aufgrund des politischen Drucks, der auf sie ausgeübt wurde, verriet die japanische Justizministerin Chieko Nohno nach einer Kabinettssitzung der Presse: »Wenn er [Fischer] die isländische Staatsangehörigkeit hätte, wäre es juristisch denkbar, ihn in dieses Land abzuschieben. Die Einwanderungsbehörde muss darüber nachdenken, wohin er am besten abgeschoben werden sollte.«
    Doch die Situation hing weiter in der Schwebe. Übellaunig beging Fischer seinen 62. Geburtstag noch immer in Haft. Inzwischen saß er seit neun Monaten hinter Gittern. Seine wenigen Besucher meinten übereinstimmend, er habe erbärmlich ausgesehen. Thorarinsson sagte, der eingesperrte Fischer erinnere ihn an Hamlet, und zitierte aus Shakespeares Stück:
    O Gott, ich könnte in eine Nußschale eingesperrt sein
    und mich für einen König von unermeßlichem Gebiete halten,
    wenn nur meine bösen Träume nicht wären.
    Die Mitglieder des RJF riefen praktisch jeden isländischen Abgeordneten an, um für eine Einbürgerung Fischers zu werben, eine echte Einbürgerung, keine vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung. Danach trafen sie das Generalkomitee des Althing, wo man den Antrag verfasste, Bobby Fischer einzubürgern. Am Samstag, dem 21. März 2005 fand eine außerordentliche Sitzung des Parlaments statt. Zwölf Minuten lang wurde der Fall erörtert. Handelte es sich wirklich um einen Notfall?, fragte ein Abgeordneter. Die Antwort fiel eindeutig aus: Bobby Fischer sei widerrechtlich verhaftet worden, sein Verbrechen bestehe allein darin, Holzfiguren über ein Schachbrett bewegt zu haben. Er sei ein Freund Islands, habe eine historische Verbindung zu dem Land und brauche jetzt Hilfe.
    Nach der Debatte gab es eine namentliche Abstimmung. Dabei stimmten 40 Abgeordnete mit » já «; zwei unentschlossene enthielten sich mit » forõast «. Niemand stimmte mit » nei «.
    Als Bobby davon hörte, lächelte er zum ersten Mal seit Monaten. Zwei Tage später, am 23. März 2005, kam er frei. Eine Limousine der isländischen Botschaft holte ihn ab, Bobby bekam einen brandneuen isländischen Pass, und zusammen mit Miyoko fuhr er zum Flughafen Narita.
    Als Bobby am Flughafen aus der Limousine stieg, erinnerte die Szenerie an den Augenblick in Charles Dickens’ Eine Geschichte aus zwei Städten , als Dr. Manette aus der Bastille entlassen wird, »ins Leben zurückgerufen«: weißhaarig, ausgezehrt, mit struppigem Bart und alter Kleidung. Bobby und der gute Doktor aus Dickens’ Roman unterschieden sich allerdings in ihrer Stimme: Manettes war schwach, »erschütternd mitleiderregend«, während Bobby wild und rachsüchtig dröhnte. »Ich bin verschleppt worden, ganz eindeutig«, sagte er den Dutzenden Reportern und Fotografen, die ihm ins Terminalgebäude folgten. »Bush und Koizumi [der amerikanische Präsident und der japanische Premier] sind Verbrecher. Sie verdienen den Strang.« Bobby war ganz der Alte; auch im Gefängnis hatte er nicht gelernt, seine Zunge im Zaum zu halten. Aber etwas hatte sich verändert. Als die damals 30-jährige Zita die Fernsehbilder sah, sagte sie: »Mit seinen Augen stimmt was nicht. Er wirkt wie ein gebrochener, hoffnungsloser Mann.«
    Nach der Landung in Island küsste Bobby nicht die Erde – zumindest nicht im wörtlichen Sinn. Im übertragenen Sinn aber ging er vor dem Land der Wikinger in die Knie. Endlich war er in einem Land angekommen, das ihn tatsächlich wollte. Zum ersten Mal seit 13 Jahren fühlte er sich wirklich sicher. Als Allererstes checkte er in die Präsidentensuite des Hotel Loftleiðir ein und bestellte mehrere Schüsseln seines geliebten skyr .

15. Kapitel Leben und Tod in Island

    Z uerst waren da die vertrauten braunen Augen. Der missbilligende, verstohlene Blick. Augen, die jeden Blickkontakt mieden und untersagten. Bobby Fischers Augen tanzten von der teilweise mit Kopfsteinpflaster ausgelegten Klappirstigur-Straße, in der er lebte, die sanfte Steigung hinauf zum belebten Laugavegur mit seinen kleinen Geschäften, dann wieder zurück zu den geparkten BMWs und Volvos, und weiter in die Gesichter der blauäugigen, apfelbäckigen Isländer, die nach dem

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