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Endstation Belalp - ein historischer Bergkrimi

Endstation Belalp - ein historischer Bergkrimi

Titel: Endstation Belalp - ein historischer Bergkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Xanthippe Verlag
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Auge nicht erkennbar.
    «Aber dennoch ist es so, dass der Gletscher nicht nur Geröll vor sich her schiebt, sondern auch innen drin Dinge mitführt, die weiter oben in seine Spalten gefallen sind», erklärt die Lady. «Und unser ehrenwerter Professor hat berechnet, wie lange es dauert, bis etwas, was oben reinfällt, unten wieder herauskommt. Man kann das berechnen, wenn man die Geschwindigkeit des Gletschers kennt.»
    Nun müsse man wissen, dass der Gletscher in der Mitte rascher fliesse als am Rand, das habe der Professor herausgefunden.
    «Der ist sehr schlau, schlauer als dieser Neuenburger, wie hiess der noch mal, der doch tatsächlich fand, der Gletscher wandere am Rand schneller als in der Mitte …»
    Kamil räuspert sich. Gedankenverloren schaut er auf seine Fingernägel. Amalia sieht das und denkt an Kamils Frau Gerda. Was wird sie sagen, wenn er mit solchen Trauerringen heimkommt? Als ob er ihre Gedanken erahnt hätte, sucht er nun in seinem Hosensack herum und klaubt schliesslich einen spitzigen Gegenstand hervor, mit dem er geduldig den Dreck unter den Fingernägeln hervorkratzt.
    Sir Butterworth, der den Schilderungen Lady Farthings aufmerksam zugehört hat, bittet sie, zur Sache zu kommen.
    «Aber das ist wichtig», verteidigt sich Lady Farthing, der Neuenburger habe sich fast umgebracht, weil der Professor Recht hatte. «Wenn man bedenkt, wie einfach und elegant McGregor es bewiesen hat. Steckt blaue Fähnchen auf jeder Seite in den Rand des Gletschers und rote in die Mitte und misst die Bewegungen der Fähnchen. Da war es klar. Daraus konnte er auch schlussfolgern, wann die Überbleibsel dieses schrecklichen Unglücks auf dem Glacier des Bossons sich unten zeigen würden.»
    Lady Farthing hat sich in Fahrt geredet:
    «Er ist im Frühsommer extra nach Chamonix gefahren, um seine Theorie zu überprüfen. Was er dort vorfand, war für ihn schrecklich. Obschon es mir so vorkam, als könne er auch eine gewisse Genugtuung nicht verbergen.»
    Lady Farthing schildert weiter, McGregor sei mit seinen Berechnungen sehr präzise gewesen. In der Tat hätten die Einheimischen voriges Jahr zufällig erste Überbleibsel entdeckt, wie von ihm vorausgesagt. Sie glaubten ihm zwar nie so ganz, aber nachgesehen hätten sie dann doch. James sei natürlich entsetzt gewesen, als er feststellte, was die Chamoniarden mit den ungewöhnlichen Findlingen anstellten.
    «Sie sagen», fährt Lady Farthing fort, «es handle sich um Eigentum der Familie. Die Dellatorres sind da eng mit drin, zwei Onkel von Giovanna sind offenbar bei diesem schrecklichen Unfall vor über vierzig Jahren dort oben in eine Gletscherspalte gestürzt und umgekommen. Die Leute in Chamonix sind heute noch erbost über den englischen Gast, der drei ihrer besten Männer mit in den Tod gerissen hat. Drei ihrer besten! Und für die Familie Dellatorre hat das damals natürlich beinahe das Aus bedeutet.»
    Professor McGregor habe Mut gezeigt. Er wollte mit der makabren Schau offenbar Schluss machen. Er intervenierte offiziell beim Gericht in Annecy, damit die armen Bergsteiger ein anständiges Grab bekommen.
    «Das hat denen da oben in Chamonix natürlich nicht gepasst. Und es waren ja auch Engländer darunter, man konnte nicht wissen, was von wem stammt. Auch McGregor hätte nicht erwartet, dass so viel von den Leichen übrig bleiben würde.»
    Lady Farthing blickt herausfordernd in die Runde.
    Amalia tut ihr den Gefallen und fragt nach:
    »Was müssen wir uns denn dabei vorstellen?»
    «Ich sage Ihnen, Kiefer mit blendend weissen Zähnen, Fetzen blonden und schwarzen Haares. Sogar ein Unterarm mit der Hand daran, obwohl, ein Finger fehlte, der mit dem Ring, da war noch ein wenig Blut am Stumpf, ist wohl irgendwo angehängt. Schade, denn mit dem Ring hätte man den Arm eindeutig zuordnen können. Doch der alte Dellatorre, der Vater von Giovanna, schwört, er erkenne die Hand seines vernunglückten Bruders Guido. Am interessantesten ist, dass das Fleisch nicht verwest ist, es ist ganz weiss, die Knochen sind ganz und etwas dunkler. Ach, auch Rippen und Rückgratteile haben sie gefunden. Und Kleider, ein halber Filzhut, ein Nagelschuh, ohne Fuss drin. Und eine Laterne. Am schlimmsten …», Lady Farthing verlangsamt ihre Rede und hebt verschwörerisch ihre rechte Augenbraue, «… am schlimmsten stank offenbar ein mitgeführter gekochter Lammgigot. Die Leichen haben nicht gerochen, sagt man. Scheusslich, sage ich Ihnen, richtige Barbaren. Und das alles fördert

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