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Endstation Belalp - ein historischer Bergkrimi

Endstation Belalp - ein historischer Bergkrimi

Titel: Endstation Belalp - ein historischer Bergkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Xanthippe Verlag
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nur die Angst vor den Bergen, und die Führer werden noch teurer. Sie spielen richtiggehend mit unsereiner Angst.»
    «Und jetzt werden diese Körperteile irgendwo ausgestellt?», Amalia kann es nicht fassen.
    «Aber ja doch, das hat James ja so entsetzt! Und er hat mit seinen Theorien und Berechnungen noch dazu beigetragen.»
    Sir Butterworth ist ebenso entrüstet. «So etwas wird doch zu verhindern sein!»
    «Sie verlangen bereits zwei Franc pro Besucher, und offenbar ist es ein echter Erfolg. Behaupten, die Körper gehörten ihnen allein. Schliesslich hätten die Engländer ihre Familienmitglieder auf dem Gewissen, und damals habe sich auch niemand um sie gekümmert.»
    «Das werden wir sofort dem Lord Commissioner in Genf melden!», empört sich Sir Butterworth, «nicht wahr, Amalia, Sie können bestimmt etwas unternehmen?»
    Doch Lady Farthing beschwichtigt: «Schon geschehen, soviel ich weiss, hat James das bereits getan, und die Kommission ist unterwegs nach Chamonix. Die werden denen das bestimmt abstellen wollen.»
    «Giovanna hat keine grausigen Leichenteile erwähnt», Amalia wirkt nachdenklich.
    Lady Farthing sieht etwas ratlos aus.
    «Und ich habe gedacht, diese Giovanna sei aus guter Familie. Die hätte das doch gar nicht nötig…», sie räuspert sich, es scheint ihr etwas unangenehm, «… als Nichte der Signora Carabellese.»
    Amalia klärt Lady Farthing darüber auf, dass nur die Signora reich sei. Giovanna stamme aus armen Verhältnissen.
    «Ich hätte wetten können, die beiden seien blutsverwandt!»
    «Das denken viele», Amalia runzelt die Stirn, «aber es ist eine Laune der Natur, nichts weiter.»
    Lady Farthing nickt nur langsam und sagt nichts mehr. Sie schaut Amalia einen Moment lang ungläubig an. Als ob sie sich plötzlich an etwas erinnern würde, steht sie unvermittelt auf.
    «Ist das alles?», fragt sie.
    Als niemand etwas erwidert, packt sie eilig ihre kleine braunlederne Handtasche und stöckelt hinaus auf die Terrasse.

13. Der Philosoph
    «Name, Vorname, Heimatort!», ordert Kamil, als hätte er nie etwas anderes getan.
    «Seagull, Edouard, York.»
    «Geburtsdatum.»
    «März, 5. März, 1833.»
    «Was haben Sie zum Fall zu sagen?»
    «Ich, ich wollte fragen», Seagull hält inne, fährt dann fort, «ob ich vielleicht», wieder stockt er, «der Professor, es geht doch jetzt langsam zu Ende», Seagull räuspert sich, «wie man hört, und die Lady hätte vielleicht gerne ein Andenken.»
    «Wie meinen Sie das?», fragt Amalia.
    «Ich könnte…, wie Sie wissen, male ich gerne etwas Schönes.» Amalia blickt verwundert, Seagull spricht langsam weiter, zögert wieder. «Und manchmal – sehen die Augen etwas anderes, als was da wirklich ist.» Nun wird er gesprächiger: »Ich habe mir lange darüber Gedanken gemacht. Vielleicht ist das, was ich male, wirklicher als das, was da draussen wirklich ist, wenn Sie wissen, was ich meine.»
    «Aha, ein Philosoph», stellt Sir Butterworth fest und kratzt sich am Hinterkopf. «Konzentrieren Sie sich nun aber zuerst einmal auf den Fall. Wir haben nämlich keine Zeit mehr zu verlieren.»
    «Aber Herr Seagull, wo denken Sie hin!», tadelt auch Amalia. «In diesem Zustand erlauben der Professor oder die Lady doch keine Porträtierung, wenn Sie das meinen!»
    Sir Butterworth schüttelt den Kopf und treibt die Befragung voran:
    «Wo waren Sie gestern Abend, die Nacht hindurch, heute Morgen?»
    «Ich habe in meinem Bette geruht und über die Alpen nachgedacht», erwidert Seagull gedankenverloren.
    «Hä?», grinst Kamil, «was ging Ihnen denn da so durch den Kopf?»
    Seagull fährt jedoch ungerührt fort:
    «Die Alpen, Kathedralen Gottes, nicht von Menschenhand gemacht, dem Schöpfer zu Ehren aufgestellt, dazu gedacht, dass sich die Menschen daran erfreuen.»
    Seagulls Gesicht leuchtet, er blickt zur Zimmerdecke. Nach einer Weile steht er auf, enerviert sich.
    «Aber nein, jeder will sie erobern, bezwingen, kann nicht einmal ihre Schönheit bestaunen, sie durch Meditation in sich aufnehmen. Diese Kletterei, diese verrückte Kolonialisierung der Wunder Gottes! Rennstrecken macht man heute aus den Geheimnissen der Natur. Schulbuben, die sich überbieten wollen, die billig der Erste sein müssen, Berggipfel einheimsen wie Trophäen!»
    «Ach, kommen Sie, Seagull, Sie übertreiben», beschwichtigt Butterworth.
    «Ach ja? Und wo kommen wir hin, wenn wir so weitermachen? Unsere Natur so zerstören wie bisher, in diesem Tempo? Ich war letzthin in Lancashire, im

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