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Endstation für neun

Endstation für neun

Titel: Endstation für neun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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auch wenn sie undifferenziert war und es ihr an Verständnis mangelte. Er dachte daran, was Ingrid eines Abends vor ein paar Wochen erzählt hatte. Viele ihrer Schulkameraden waren politisch aktiv, nahmen an Versammlungen und Demonstrationen teil und hatten fast durchweg eine ausgesprochen schlechte Meinung von der Polizei. Als Kind, hatte sie erklärt, habe sie damit angeben und darauf stolz sein können, dass ihr Vater Polizist war, aber jetzt behalte sie es am liebsten für sich. Nicht, weil sie sich schämte, aber sie wurde oft in Diskussionen verwickelt, bei denen die anderen von ihr erwarteten, dass sie sich für den gesamten Polizeiapparat rechtfertigte. Das war natürlich idiotisch, aber so war es nun einmal. Martin Beck ging ins Wohnzimmer, lauschte an der Tür zum Schlafzimmer seiner Frau und hörte ihr leichtes Schnarchen. Vorsichtig zog er die Bettcouch aus, schaltete die Wandlampe an und zog die Vorhänge zu. Er hatte die Couch erst kürzlich gekauft und war unter dem Vorwand aus dem gemeinsamen Schlafzimmer ausgezogen, seine Frau nicht stören zu wollen, wenn er spätnachts nach Hause kam. Sie hatte protestiert und daraufhingewiesen, dass er manchmal die ganze Nacht arbeitete und folglich tagsüber schlafen musste und sie nicht wollte, dass er im Wohnzimmer herumhing. Er hatte ihr versprochen, bei diesen Gelegenheiten im Schlafzimmer herumzuhängen, wo sie sich tagsüber ohnehin nur selten aufhielt. Mittlerweile schlief er seit einem Monat im Wohnzimmer und fühlte sich sehr wohl dabei. Seine Frau hieß Inga.
    Im Laufe der Jahre war ihre Beziehung kontinuierlich schlechter geworden, und er empfand Erleichterung darüber, nicht mehr das Bett mit ihr teilen zu müssen. Dass er so fühlte, verursachte ihm zuweilen Gewissensbisse, aber nach siebzehn Jahren Ehe schien sich daran kaum noch etwas ändern zu lassen, und er hatte längst aufgehört, darüber nachzugrübeln, wessen Schuld dies sein mochte.
    Martin Beck unterdrückte einen Hustenanfall, zog die nasse Hose aus und hängte sie über einen Stuhl am Heizkörper. Während er auf der Couchkante saß und seine Strümpfe auszog, ging ihm durch den Kopf, ob der Grund für Kollbergs nächtliche Spaziergänge im Regen darin liegen könnte, dass auch seine Ehe dabei war, in Überdruss und Routine abzugleiten. Schon? Kollberg hatte erst vor anderthalb Jahren geheiratet. Doch noch ehe der erste Strumpf ausgezogen war, verwarf er den Gedanken auch schon wieder. Lennart und Gun waren glücklich zusammen, daran gab es keinen Zweifel. Ging ihn das im Übrigen etwas an?
    Er stand auf, ging nackt quer durchs Zimmer zum Bücherregal und suchte lange, bis er sich entschied. Das Buch, verfasst von dem alten englischen Diplomaten Sir Eugen Millington-Drake, handelte von der Admiral Graf Spee und der Schlacht am Rio de la Plata. Er hatte es vor einem Jahr in einem Antiquariat gekauft, aber noch nicht die Zeit gefunden, es zu lesen. Er legte sich ins Bett, hustete schuldbewusst, schlug das Buch auf und entdeckte, dass er keine Zigaretten hatte. Es gehörte zu den Vorzügen seiner Bettcouch, jetzt ohne Komplikationen im Bett rauchen zu können.
    Er stand wieder auf, holte eine feuchte und plattgedrückte Schachtel Florida aus der Manteltasche, reihte die Zigaretten zum Trocknen auf dem Nachttisch auf und zündete sich die an, die noch den funktionstüchtigsten Eindruck machte. Er hatte die Zigarette zwischen den Zähnen und schon ein Bein im Bett, als das Telefon klingelte.
    Der Apparat stand im Flur. Vor einem halben Jahr hatte er die Installation einer zusätzlichen Anschlussbuchse im Wohnzimmer bestellt, aber bei dem üblichen Arbeitstempo des Fernmeldeamts konnte er sich vermutlich glücklich schätzen, wenn er nicht noch ein halbes Jahr warten musste, bis der Auftrag endlich ausgeführt wurde.
    Er ging mit schnellen, langen Schritten in den Flur und hob ab, noch ehe das zweite Klingeln verklungen war.
    »Beck.«
    »Kommissar Beck?«
    Er kannte die Stimme nicht.
    »Ja, am Apparat.«
    »Hier ist die Einsatzzentrale. In einem Bus der Linie 47 sind in der Nähe der Endstation in der Norra Stationsgatan mehrere Fahrgäste erschossen aufgefunden worden. Sie werden gebeten, unverzüglich dorthin zu kommen.«
    Martin Becks erster Gedanke war, dass sich jemand einen schlechten Scherz mit ihm erlaubte oder einer seiner Gegner versuchte, ihn in den Regen hinauszulocken, nur um ihn zu ärgern.
    »Von wem stammt diese Mitteilung?«, fragte er.
    »Hansson, fünftes Revier.

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