Endstation für neun
Polizeidirektor Hammar ist bereits informiert.«
»Wie viele Tote?«
»Das ist noch nicht ganz klar. Mindestens sechs.«
»Ist jemand festgenommen worden?«
»Nicht dass ich wüsste.«
Martin Beck dachte: Ich hole Kollberg unterwegs ab. Hoffentlich bekomme ich ein Taxi.
»Okay. Ich fahre sofort los«, sagte er dann. »Noch etwas, Herr Kommissar.«
»Ja?«
»Einer der Toten… Er scheint einer Ihrer Männer zu sein.« Martin Beck packte den Hörer fester.
»Wer?«
»Ich weiß es nicht. Es wurde kein Name genannt.« Martin Beck knallte den Hörer auf die Gabel und lehnte die Stirn gegen die Wand. Lennart! Das konnte nur Lennart sein. Was zum Teufel hatte er da draußen im Regen zu suchen? Was zum Teufel hatte er im 47er Bus zu suchen? Nein, nicht Kollberg, das musste ein Irrtum sein.
Er hob den Hörer ab und wählte Kollbergs Nummer. Es klingelte einmal. Zwei. Drei. Vier. Fünfmal. »Kollberg.«
Das war Guns verschlafene Stimme. Martin Beck versuchte ruhig und natürlich zu klingen.
»Martin hier. Ist Lennart da?«
Er meinte das Bett knacken zu hören, als sie sich aufsetzte, und es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis sie antwortete. »Nein, im Bett ist er jedenfalls nicht. Ich dachte, er wäre mit dir zusammen. Oder besser gesagt, du wärst noch hier.«
»Er ist mit mir zusammen losgegangen, um noch einen Spaziergang zu machen. Bist du sicher, dass er nicht zu Hause ist?«
»Vielleicht ist er in der Küche. Warte, ich schau mal nach.« Es dauerte erneut eine halbe Ewigkeit, bis sie zurückkam. »Nein, Martin, er ist nicht zu Hause.« Jetzt klang ihre Stimme besorgt.
»Was glaubst du, wo er ist?«, fragte sie. »Bei dem Wetter?«
»Er ist sicher nur ein bisschen frische Luft schnappen. Ich bin eben erst nach Hause gekommen, er kann also noch nicht lange unterwegs sein. Mach dir keine Sorgen.«
»Soll er dich anrufen, wenn er kommt?« Sie klang jetzt ruhiger.
»Nein, es war nicht so wichtig. Schlaf gut. Tschüs.« Er legte auf und merkte plötzlich, dass er vor Kälte zitterte. Er hob den Hörer wieder ab, zögerte und dachte, dass er jemanden anrufen musste, um genaue Auskunft darüber zu erhalten, was passiert war. Dann entschied er, dass er am besten schnellstmöglich selbst zum Tatort fuhr. Er wählte die Nummer der nächstgelegenen Taxistation, wo sofort jemand an den Apparat ging - Martin Beck war seit dreiundzwanzig Jahren Polizist. In dieser Zeit waren mehrere seiner Kollegen im Dienst getötet worden, was ihn jedes Mal schwer getroffen hatte, vielleicht auch aus dem Wissen heraus, dass die Polizeiarbeit immer riskanter wurde und er als Nächster an der Reihe sein konnte. Was Kollberg betraf, waren seine Gefühle jedoch nicht nur kollegial. Mit den Jahren waren sie in ihrer Arbeit immer abhängiger voneinander geworden. Sie ergänzten sich hervorragend und hatten im Laufe der Zeit gelernt, die Gedanken und Gefühle des anderen ohne viele Worte zu verstehen. Als Kollberg vor anderthalb Jahren heiratete und nach Skärmarbrink zog, waren sie außerdem räumlich näher zusammengerückt und hatten begonnen, sich auch in ihrer Freizeit zu treffen.
Erst neulich hatte Kollberg in einem seiner seltenen Momente von Niedergeschlagenheit gesagt:
»Wenn es dich nicht gäbe, weiß der Henker, ob ich dann noch bei der Polizei bleiben würde.«
Daran dachte Martin Beck, während er den nassen Mantel anzog und die Treppen hinunter zum wartenden Taxi lief.
6
Trotz des Regens und der späten Stunde hatte sich eine kleine Menschenmenge hinter der Absperrung zum Karlbergsvägen versammelt. Die Leute beobachteten Martin Beck neugierig, als er aus dem Auto stieg. Ein junger Polizist im schwarzen Regencape machte eine heftige Bewegung, als wollte er ihn aufhalten, aber ein anderer Polizist bremste ihn und hob grüßend die Hand an den Schirm seiner Mütze.
Ein kleiner Mann in hellem Trenchcoat und Sportmütze versperrte Martin Beck den Weg und sagte: »Mein Beileid, Herr Kommissar. Ich habe gerade das Gerücht vernommen, dass einer Ihrer…«
Martin Beck warf dem Mann einen Blick zu, dass diesem der Rest des Satzes im Hals steckenblieb.
Er kannte den Mann mit der Sportmütze nur zu gut und verabscheute ihn von ganzem Herzen. Er war freier Journalist und nannte sich Kriminalreporter. Seine Spezialität waren ausgerechnet Mordfälle, Reportagen voller sensationslüsterner, abstoßender und außerdem oft falscher Details, die auch nur von den allerbilligsten Illustrierten abgedruckt wurden.
Der Mann zog sich
Weitere Kostenlose Bücher