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Endstation Nippes

Titel: Endstation Nippes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Strobl
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3-Player und viel Amy Winehouse für die Hin- und Rückfahrt zu wappnen. Und mit einer Menge Geduld für das Zusammentreffen von zwei alten Gewerkschaftern mit zwei alternden Ex-Hausbesetzern.

SIEBEN
    Ich wusste, irgendwo hatte ich das Pröbchen Fußsalbe gebunkert, das ich mal in der Apotheke bekommen hatte. Meine Mutter leidet zunehmend unter Hornhaut und Rissen an den Füßen, und ich wollte ihr die Salbe zum Testen mitbringen. Eigentlich hatte ich für diese Suchaktion überhaupt keine Zeit, und als ich sah, wie spät es war, wurde ich so hektisch, dass mir das Fläschchen mit dem Arnikaöl runterfiel. Und ausgerechnet hinter die Kloschüssel rollte. Na, super! Das ist eine der besonders dunklen Stellen in meiner Wohnung. Ich wusste also, wenn ich jetzt dahinten reinlange, muss ich mir anschließend nicht nur die Hände, sondern auch die Arme waschen. Ich kniete mich schräg vor die Kloschüssel und tastete mich durch etwas, das sich wie feuchte Spinnweben anfühlte. Vor Schreck stieß ich mir die Knöchel an der Wand. Und spürte etwas Hartes, kartonartiges, das da nicht hingehörte. Da es sich weder feucht noch sonst wie eklig anfühlte, zog ich daran. Es war festgeklebt, und das machte mich nun wirklich neugierig. Ich hatte da nämlich nichts hingeklebt. Schließlich bekam ich das Ding von der Wand gelöst und zog meinen Arm wieder nach vorn. Ich hielt ein kleines Buch in der Hand, eines dieser schicken Moleskine-Notizbücher. Ich wischte es mit Klopapier ab, wusch mich gründlich und ging in die Küche.
    Mein erster Gedanke war: Nele hat da Stoff drin versteckt. Außer ihr, meinem Liebsten und vielleicht mal Hertha hatte seit Tagen niemand mein Klo benutzt. Und hätte das Buch schon länger an der Wand geklebt, wäre es so feucht gewesen wie die Spinnweben. Ich schlug es auf. Die Seiten waren alle heil, kein Stoff weit und breit. Aber weder Stefan noch Hertha hatten irgendeinen Grund, in meiner Wohnung etwas zu verstecken. Und wenn doch, hätten sie mich darum gebeten und es nicht hinter meinem Rücken getan.
    Plötzlich sah ich die Szene wieder vor mir: Den verlegen-verlogenen Gesichtsausdruck, mit dem mich Frau Grimme gefragt hatte, ob sie meine Toilette benutzen dürfte. Wie lange sie drin geblieben war. »Scheiße«, sagte ich und schlug das Buch erneut auf. Einen Moment lang zweifelte ich an meiner Grimme-Theorie, denn die Schrift war die eines kleinen Mädchens. Andererseits wirkte sie aber auch routiniert, eine seltsame Mischung, aus der ich nicht schlau wurde. Ich erinnerte mich, wie genervt ich von Frau Grimme anfangs gewesen war, weil sie so etwas Höhere-Tochter-Mädchenhaftes an sich hatte. Und wer sonst sollte das Büchlein bei mir versteckt haben?
    Das Mädchen liegt in seinem Bette. Es hat große Angst. Es hört den Vater im Flur. Es weiß nicht, was der Vater tun wird. Manchmal kommt der Vater alleine und tut es mit dem Mädchen. Das ist, wenn der Bruder nicht da ist. Der Bruder verbringt die Ferien mit einem Freund und dessen Eltern. Der Bruder ist weit weg. Der Vater bringt einen fremden Jungen mit nach Hause. Der Vater tut es mit dem Jungen. Dann kommt der Vater mit dem Jungen in das Zimmer des Mädchens. Der Vater sagt dem Jungen, er muss es mit dem Mädchen tun. Der Junge tut es mit dem Mädchen, und der Vater sieht dabei zu. Dann tut der Vater es mit dem Jungen im Zimmer des Mädchens. Jetzt hört das Mädchen, wie der Vater die Tür öffnet und mit einem Jungen spricht. Jetzt hört das Mädchen, wie der Vater mit dem Jungen die Treppe heraufkommt. Jetzt kommen der Vater und der Junge in das Zimmer des Mädchens.
    Ich schlug das Buch zu und holte tief Luft. Für einen literarischen Entwurf war das zu wenig literarisch. Und den hätte sie auch nicht auf meinem Klo verstecken müssen. Ich setzte Teewasser auf und steckte mir eine Zigarette an. Wie soll ich das Rauchen reduzieren, wenn mir ständig solche Sachen passieren? Ich stierte vor mich hin, bis das Wasser kochte. Nahm den indischen Tee, das ist der stärkste, den ich habe, und peppte ihn mit ein bisschen Ingwerpulver auf. Verkniff es mir, am Rest meiner Kippe eine neue anzuzünden. Stand auf, ging ans Fenster, starrte hinaus und sah nichts. Ich mochte nicht weiterlesen, wusste aber: Ich muss. Obwohl ich nicht wusste, warum. Ich bin schließlich nicht maso.
    Das Mädchen ist schmutzig. Alle Mädchen sind schmutzig. Das Mädchen wird bald bluten. Dann ist es so schmutzig, dass der Vater es nicht mehr mit ihm machen wird. Dann macht

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