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Endstation Nippes

Titel: Endstation Nippes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Strobl
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tierartigen Laut von sich.
    »Chantal hat ihm geholfen, auszubüxen. Wie, weiß ich nicht, das hat sie uns noch nicht erzählt. Die Frau, die ihm das angetan hat, sucht jetzt nach ihm. Und wenn die ihn findet …« Ich zog an meiner Kippe und überlegte, ob ich das, was mir auf der Zunge lag, aussprechen sollte. Ob ich das wirklich glaubte. Ich war mir nicht sicher, aber es konnte durchaus sein. Die Grimme war so durchgeknallt, dass ich ihr alles zutraute.
    »Dann kann es sein«, fuhr ich also fort, »dass sie ihn umbringt. Sie weiß nicht, dass ich das alles herausgefunden habe. Deshalb denkt sie vermutlich, sie kann die verzweifelte Pflegemutter spielen, wenn der Kleine tot ist. Im Theaterspielen ist die ganz große Klasse.«
    Der Schreck hatte Hotte noch immer die Stimme verschlagen. Aber schließlich drückte er seine Zigarette aus und baute sich vor mir auf: »Wo is die?« Er streckte die Hand aus: »Adresse!«
    »Hab ich nicht. Die hat sie mir nie gegeben.«
    »Und woher weißte das alles?«
    Ich berichtete ihm kurz von der Sendung, an der ich arbeitete, von meiner Recherche, dem Notizbuch. »Und«, fügte ich hinzu, »ich kenne eine Polizistin, die ist okay.«
    Hotte schnaubte.
    »Doch«, mischte sich Nele ein, »echt.«
    Hotte sah sie irritiert an.
    »Die hat mir mal das Leben gerettet.«
    »Dir?«
    »Mir.«
    Ich stand nun gleichfalls auf. »Die ist am Montag aus dem Urlaub zurück. Dann kann sie die Sache in die Hand nehmen. Sprich die Frau verhaften. Die macht das auch. Aber bis dahin müssen die Kinder in Sicherheit gebracht werden.«
    »Hm.« Hotte kratzte sich nachdenklich am Kopf. »Die gehen aber mit keiner Polizistin mit, die Pänz.«
    »Das ist das nächste Problem«, konzedierte ich. »Aber darüber können wir uns Gedanken machen, wenn die Frau erst mal aus dem Verkehr gezogen ist.«
    Hotte war noch immer am Grübeln. »Und was is mit den Kerlen? Mit den Dreckswichsern, die den Kleinen …«
    »Scheiße!«, entfuhr es Nele und mir im Duett. Daran hatten wir nicht gedacht. Es gab ja auch noch die Männer. Die Marco natürlich wiedererkennen würde. Was die sich wiederum nicht leisten konnten. Ich setzte mich wieder hin. Das Ganze wuchs mir über den Kopf. Ich hatte auch keine Ahnung, wie ich Marco beibringen sollte, dass ich wusste, was man ihm angetan hatte. Ich hatte nicht die geringste Erfahrung mit derart gequälten Kindern.
    »Hörma«, ließ sich Nele wieder vernehmen, »wir müssen jetzt los, die Kiddies suchen!«
    Sie hatte völlig recht. Ich versuchte, auf die Beine zu kommen.
    »Was mach ich dann mit der Alten?«, fragte Hotte.
    Ich wollte schon sagen, überlass das bitte der Polizistin, als ich begriff, er meinte seine Nachbarin. Und plötzlich war ich wieder klar im Kopf. Ich gab Hotte und Nele ein Zeichen, näher zu rücken, und schilderte ihnen flüsternd meine Idee. Hotte dachte kurz darüber nach und nickte dann. Nele war gleichfalls einverstanden.
    Wir machten uns auf den Weg Richtung Nippeser Tälchen. »Guck!«, sagte Nele plötzlich und blieb abrupt vor dem Büdchen stehen. »Grausam verstümmelt! Lebte das Kind noch?« lautete die Headline der Bildzeitung. Wir gingen rein und kauften Express und Stadtanzeiger. Der Kinderleiche vom Niehler Hafen, erfuhren wir, hatte man alle Zähne herausgebrochen. Nun weiß jeder Krimileser, dass man anhand der Zähne die Identität von Toten feststellen kann. Und genau das wollte offenbar jemand verhindern. Wieder schoss mir Tamara durch den Kopf. Und die komische Reaktion von Grimme, als ich sie gefragt hatte, ob sie fürchte, »ihr« Mädchen könnte die Leiche sein.
    Am Altenberger Hof bogen wir in den Niehler Kirchweg ab, liefen runter bis zur Wiese und dann nach rechts zum Spielplatz. Wir blieben stehen und sahen uns die Kiddies an. Unsere waren nicht dabei. Ein paar Mütter und ein, zwei Väter saßen auf den Bänken, lasen Zeitung, plauderten miteinander oder behielten einfach ihren Nachwuchs im Auge. Ein türkisches Mädchen setzte sich auf eine der Schaukeln, ihre Mutter, eine junge Frau mit Kopftuch, stieß sie an, die Kleine schwang jauchzend vor und zurück, die Mutter strahlte und sah aus, als würde sie sich selber am liebsten auf die andere Schaukel setzen. Ein nackter kleiner Junge vergnügte sich auf der Rutsche, kletterte immer wieder hoch, rutschte runter und verschluckte sich fast vor Lachen. Ein Mädchen und ein Junge bewarfen sich begeistert mit Dreck, bis ihr Vater einschritt. Ein etwas älteres Mädchen stand allein

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