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Endstation Nippes

Titel: Endstation Nippes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Strobl
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Chantal«, sagte Nele in die Gegensprechanlage.
    »Isch kenn kein Chantal.«
    »Hotte, mach auf! Ich war mal ‘ne Freundin von der Nicole, und ich muss den Pänz was sagen.«
    »Jetzt hör mer ma jut zu, ja? Isch kenn kein Nicole, hier is kein Chantal, und hier sin kein Pänz. Und jetzt mach dich vom Ack…«
    »Wir haben Ihre Adresse vom Kalle«, fiel ich ihm ins Wort. »Der ist ein alter Freund von ‘ner Freundin von mir. Wenn Sie so nett wären, den Kalle anzurufen, dann könnte der Ihnen sagen, dass er grade vor ein paar Minuten der Hertha, so heißt die Frau, Ihre Adresse gesagt hat. Und bitte: Es ist echt dringend.«
    Schweigen. Wir warteten etwa fünf Minuten, die uns wie fünf Stunden vorkamen. Dann beschlossen wir zu gehen und am Abend wiederzukommen. In diesem Augenblick brummte der Türöffner, und aus der Gegensprechanlage kam die Anweisung: »Zweite Etage, rechts.«
    Hotte empfing uns vor seiner Wohnungstür. Er war klein, stämmig, trug ein ärmelloses Unterhemd und stellte damit ordentlich Muckis und jede Menge Tattoos zur Schau. Ansonsten: Vokuhila. Zunehmende Stirnglatze und grauer dünner Zopf. Ein faltiges, etwas zu braunes, aber freundliches Gesicht. Ich schätzte ihn auf Anfang fünfzig. Er hatte etwas von einem alten Rocker. Ich konnte ihn mir gut auf einer frisierten Kawasaki vorstellen. Er musterte uns mit undurchdringlicher Miene. Erst mich, dann Nele. Fragte sie schließlich: »Bist du drauf?«
    »Im Programm«, erwiderte Nele. »Lässte uns jetzt mal rein, oder spielste hier Türsteher?«
    »Is die immer so freundlich?«, wandte sich Hotte an mich.
    »Nö«, sagte ich lächelnd, »nur wenn sie Schiss hat.«
    Er öffnete die Tür, und wir traten in einen engen dunklen Flur. Hotte wies mit der Hand in Richtung Wohnzimmer. Vor dem Fenster stand ein Tisch mit drei Stühlen, an der Längswand ein Sofa, dem Sofa gegenüber ein ziemlich teuer aussehender Flachbild-Fernseher. Daneben eine auch nicht eben billige Stereoanlage. Ich warf einen kurzen Blick auf die CD s, die auf dem Boden lagen. Metallica, Bruce Springsteen, Brings, Gerd Köster. Ganz schönes Cross-over, dachte ich und musste grinsen. Als ich wieder hochsah, blickte ich Hotte direkt in die Augen. Und musste erneut lächeln. Er verzog keine Miene.
    Ich setzte mich neben Nele auf das Sofa, im Fernseher lief ein Autorennen. Ich nahm die Fernbedienung und drückte den Ton weg. Hotte verschwand in einem anderen Raum und kam mit einer Thermoskanne und zwei Tassen zurück. Unter den Arm hatte er sich eine Flasche Bier geklemmt.
    »Ich hab noch was Kaffee, wenn ihr wollt.« Er hielt Nele die beiden Tassen hin. »Vor was haste Schiss, Mädchen?«
    Nele sah mich an. Ich nahm umständlich einen Schluck von dem lauwarmen Kaffee. Ich musste Zeit schinden, denn ich hatte mir nicht überlegt, wie weit ich Hotte einweihen wollte. Ich sah ihn mir noch mal an. Er musterte mich ruhig, aber auch besorgt.
    »Kann ich Sie erst mal was fragen?«
    »Sin wer jetzt per Sie?«
    »Nö, ‘tschuldigung.« Ich nahm noch einen Schluck von dem Ekelgebräu. »Warum dürfen die Kids nur nachts hier sein und tagsüber nicht?«
    »Geht dich das was an?«
    »Ja.«
    Er schüttete ärgerlich den Kopf. Die Stimmung drohte zu kippen.
    Ich suchte Hottes Blick. Irgendetwas in dem meinen musste ihn besänftigt haben.
    »Ich hab keine Ahnung«, sagte er, »was die ausgefressen haben. Wieso die ausgebüxt sind. Ich hab denen gesagt, da gibt es so Streetworker, die sind okay. Die zwingen euch zu nix. Die gehen nich zu den Bullen. Aber immer wenn ich so was sage, tickt der Kleine aus. Der kriegt Zustände. Keine Luft mehr und so. Wird stocksteif, läuft blau an und … na ja.«
    Er drehte sich eine Zigarette und hielt uns den Tabakbeutel hin. Nele bediente sich, ich holte meine Kippen raus und steckte mir eine an.
    »Und ich hab hier so ‘ne Tusse«, erzählte Hotte weiter, »genau gegenüber, die hat ‘n Auge auf mich. Seit mich meine grünen Freunde mal hier in der in der Wohnung abgeholt haben. Das hat die mitbekommen. Und da draufhin hat die mich jetzt schon dreimal angezeigt. Wegen irgendwas, was die sich ausgedacht hat. Wenn die sieht, dass ich hier Kinder hab, die ruft die Grünen, so schnell kannste nich gucken.«
    Okay, das war ein Argument. Ich beschloss, ihm die Wahrheit zu sagen.
    »Marco war bei einer Pflegemutter. Die hat ihn an Männer verkauft. Er war irgendwann so schwer verletzt, dass sie ihn nicht mehr zur Schule schicken konnte.«
    Hotte gab einen

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