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Endstation Nippes

Titel: Endstation Nippes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Strobl
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trinken hätte. Ich konnte ihr nur Wasser anbieten. Füllte eine Karaffe mit Leitungswasser und stellte sie samt Gläsern für uns alle auf den Tisch. Tina trank gierig ein ganzes Glas aus und schenkte sich direkt nach. Etwas stimmte definitiv nicht mit ihr. Ich sah sie fragend an.
    »Ach, manchmal kommt es eben dicke. Wir haben so ‘n neuen Staatsanwalt, aus Wuppertal, und in der Kantine-Gerüchteküche heißt es: Der wurde strafversetzt. Aber frag mich nicht, warum.«
    »Habt ihr den im Grimme-Fall?«
    Sie nickte. Er sei, erzählte sie und senkte die Stimme, als könnte jemand mithören, ein arrogantes Arschloch, schwulenfeindlich, ausländerfeindlich und ein Macho zum Drüberkotzen.
    »Und wenn die so einen noch nicht mal in Wuppertal wollen, was soll der in Köln?«

ZWÖLF
    In Stommeln wartete ich endlos auf die Bahn zurück nach Köln, was meine Laune nicht gerade hob. Jessicas Pflegeeltern hatten mich freundlich empfangen, sie waren offen und hilfsbereit gewesen, hatten mir aber nicht viel erzählen können. Zwischen ihnen und Jessie lief offenbar alles gut, und in den paar Minuten, in denen Jessie sich hatte blicken lassen, hatte sie einen selbstbewussten und aufgeweckten Eindruck auf mich gemacht. Am meisten brachte mir die Info, dass sie zwar ein paar Monate, nachdem sie Jessie zu sich genommen hatten, kontrolliert worden waren, dann aber, in all den Jahren, nie wieder. Das Handy riss mich aus den Gedanken.
    »Hörma«, meinte Hotte, »könntstu morgen früh die Chantal nehmen, dann würd ich die Nele nach Düren fahren.«
    Das schlechte Gewissen verschlug mir erst mal die Sprache. Ich hatte völlig vergessen, dass Nele morgen in die Entgiftung ging. Dabei hatte ich sie nach Düren begleiten und vorher noch einen wunderschönen Abschiedsabend für sie inszenieren wollen!
    »Ja, klar, mach ich!«, brachte ich schließlich heraus. »Wann wollt ihr denn fahren?«
    »Also, die Nele muss um elf Uhr da sein.«
    »Heißt?«
    »Heißt, ich tät dir die Chantal so um halb zehn rum vorbeibringen, die Nele einpacken und dann ab die Post.«
    Ich fand das arg früh, aber Hotte bestand darauf, »wegen all der Staus und so«, und er und Nele könnten dann ja in Düren noch in aller Ruhe einen Kaffee trinken. Ich bezweifelte, dass Nele dafür den Nerv haben würde, versprach ihm aber, Chantal um halb zehn in Empfang zu nehmen.
    »Und heute Abend«, improvisierte ich, »gibt es ein Abschiedsessen …«
    »Ja, hat mir die Hertha schon gesteckt. Um sieben bei ihr.«
    Ich hätte es mir denken können. Auf Hertha ist Verlass. Im Gegensatz zu mir. Um meine Versäumnisse Nele gegenüber wiedergutzumachen, rief ich in meiner Buchhandlung an und ließ mir die drei letzten Krimis von Ian Rankin beiseitelegen. Nele hatte sich einmal einen Ian Rankin von mir ausgeliehen und ihn super gefunden. Und in Düren braucht man Ablenkung so dringend wie Wasser in der Wüste. Da ich schon dabei war, meine verantwortungsbewusste Seite auszuleben, rief ich gleich noch Mary an und bat sie, morgen früh um zehn zu mir zu kommen. »Dann könntest du Chantal zeigen, wie toll Kung-Fu ist. Und sie vielleicht dazu kriegen, dass sie es bei dir lernen will.«
    »Hm«, meinte Mary.
    »Du hast es doch angeboten?«
    »Ja«, erwiderte sie leicht irritiert, »aber warum muss es jetzt so plötzlich sein? Komm doch nächste Woche mal nachmittags mit ihr vorbei.«
    »Äh … das ist schwierig, Mary. Wenn du kommst, während sie gerade bei mir ist, dann sieht das ganz zufällig aus.«
    »Warum muss das zufällig aussehen?«
    Tja. Wie sollte ich einer weltoffenen und welterfahrenen Frau wie Mary verständlich machen, dass für jemanden wie Chantal jeder, der nicht aus ihrem direkten Umfeld stammt, ein potenzieller Feind ist? Ich versuchte es.
    »Weißt du, so Leute wie dich kennt Chantal nicht. Leute, die anders leben als sie und ihre Family, sind ihr fremd. Die reden anders, die haben andere Vorstellungen, und, was schwerer wiegt: Die könnten auch eine mögliche Bedrohung darstellen.«
    »Das musst du mir erklären.« Mary klang eingeschnappt. Was sie selten ist. Ich war gerade dabei, etwas, das mir sehr, sehr wichtig war, zu verbaseln. Ich nahm einen neuen Anlauf.
    »Na ja, sie könnten zum Beispiel die Polizei oder das Jugendamt informieren. Das hat Chantal schon erlebt. Und wenn das jetzt jemand tut, dann könnte das schreckliche Folgen haben. Die Kinder, also Chantal und ihr Bruder, halten sich doch grade versteckt, Mary.«
    »Aber ich würde sie doch nicht

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