Endstation Nippes
Hotte und sah mich zufrieden an. »Da haste ja voll dat Richtige jetroffen.«
Das freute mich sehr. Ich hatte ihr »Die Rote Zora und ihre Bande« geschenkt und hätte sie ihr nach Marcos Verschwinden am liebsten wieder weggenommen. Wie musste Chantal sich fühlen, wenn sie sah, wie toll Zora Branco rettete und ihn in ihre Bande aufnahm? Aber offenbar war die Botschaft anders angekommen.
»Hör mal, Hotte«, fing ich die Ansprache an, vor der ich mich fürchtete, die ich aber gleichwohl für unabdingbar hielt. »Wenn du wirklich bereit bist, die Kids bei dir aufzunehmen, wenn die richtig bei dir leben sollen, dann musste aufhören mit den Brüchen. Zum einen wär das der Horror für die, wenn du wieder in den Knast musst. Und sie dann wieder ins Heim kommen. Und zum anderen, wenn wir das Jugendamt so weit kriegen, dass sie dir die beiden überlassen, dann genügt schon der kleinste Verdacht gegen dich, und …«
»Sag mal, für wie blöd hältst du mich?« So kalt hatte er mich noch nie angesehen. Noch nicht mal, als ich zum ersten Mal vor seiner Tür stand.
Ich steckte mir eine Kippe an und blies erst mal den Rauch aus. »Mir war schon klar, dass du das vermutlich selber weißt und auch die Konsequenzen draus ziehst. Weißte?«
Sein Blick hatte sich um keinen müden Grad erwärmt.
»Aber ich muss das jetzt trotzdem loswerden. Ich will unbedingt, dass die Kinder bei dir bleiben können. Ich seh, wie du mit ihnen umgehst. Ich seh, wie die Chantal an dir hängt. Sie braucht dich. Und der Kleine auch.«
»Und?«
»Und«, sagte ich resigniert, »mir würde es halt verdammt schwerfallen, von Hartz IV und sonst nix zu leben mit zwei Kiddies an der Backe. Sorry. Ich wollte dich nicht beleidigen.« Ich stand auf. Gespräch beendet. Ich hatte es vermasselt.
Hotte blieb sitzen. Drehte sich eine. Als er endlich damit fertig war, sagte er: »Hättste nich wie so ‘ne Scheißsozialarbeiterin geklungen, hätt ich mich nich beleidigt gefühlt.«
Ich blieb stehen. »’ne Sozialarbeiterin hätte es vermutlich besser rübergekriegt. Ich hab keine Übung mit so was.«
»Setz dich hin.«
»›Platz, Waldi!‹, oder was?«
»Jetzt bist du beleidigt.«
Er grinste ziemlich selbstgefällig. Fand ich. Holte mir ein Glas Wasser und setzte mich an den Tisch.
Wohnungseinbrüche, erzählte er mir, machte er schon länger keine mehr. Er war vor ein paar Jahren aus dem Knast gekommen und hatte seine Wohnung verwüstet vorgefunden. Einbrecher hatten nach Geld gesucht und dabei alles auseinandergenommen: »Die wussten, dass ich da was gebunkert hatte. Die wussten das!« Empörter Blick. Zu allem Überfluss hatten sie das Geld auch noch gefunden.
»Instant-Karma«, murmelte ich.
»Was?«
»Nichts.«
»Aber das Schlimmste«, fuhr Hotte fort, »das war dieses Gefühl hinterher. Das war irgendwie nicht mehr meine Wohnung. Ich hab mich da nicht mehr zu Hause gefühlt. Das war ‘ne fremde Wohnung für mich. Weil da welche an meinen Sachen dran waren.« Er wäre am liebsten ausgezogen. Und nicht nur das: Er fühlte sich nicht mehr sicher. Schrak bei jedem Geräusch hoch. »Und da hab ich plötzlich gewusst, wie das is, wenn bei einem eingebrochen wird. Dass da nicht einfach bloß ‘n paar Sachen weg sind. Sondern irgendwie, ja, die ganze Wohnung.«
Seither »machte« er »nur noch Lastwagen und so was. Mit paar Kumpels.« Und damit war nun auch Schluss. »Aber ich hab was angespart«, erklärte er. »Und ich bin gelernter Elektriker. Da kann ich ab und an mal wo aushelfen.«
»Super.« Ein dicker Stein rollte von meinen Schultern, die trotzdem hart wie ein Brett blieben. Ich beschloss, mich mehr zu bewegen. Wieder mehr Qigong zu machen. Mir eine Massage zu gönnen. Rosa kam in ihrem »Wilder-Tiger-checkt-Lage-im-Dschungel-Gang« in die Küche gerobbt, drehte eine Schnupperrunde um Hottes Beine und sprang ihm auf den Schoß.
Wow!, dachte ich.
»Hallo!«, sagte Hotte.
Rosa gähnte.
»Ich weiß bloß nicht«, Hotte kraulte Rosa gekonnt hinter den Ohren, »ob ich das mit den Pänz so richtig hinkriege. Ich bin ja ‘n Mann. Also Kochen zum Beispiel, da bin ich nich gut drin. Oder jetzt auch mit Hausaufgaben oder so.«
»Pass auf«, dachte ich laut nach. »Ich hab ‘ne Freundin, die kann das alles supergut.« Ich bat Gitta stumm um Verzeihung, dass ich sie über ihren Kopf hinweg einspannte. »Die kann dir das beibringen. Kochen zum Beispiel. Und die hilft den Kids sicher gerne mit den Hausaufgaben. Und ich kann ihnen auch dabei
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