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Endstation Nippes

Titel: Endstation Nippes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Strobl
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verraten!«
    »Nein, natürlich nicht. Aber Chantal weiß das nicht.« So kam ich nicht weiter. »Hör mal, Mary, ich erkläre dir das mal ganz ausführlich und besser, als ich es jetzt kann. Und ich wäre dir unendlich dankbar, wenn du morgen kommen würdest.«
    Sie sagte zu. Ich wollte schon einhängen, da schob sie hinterher: »Ich habe Neuigkeiten für dich in Sachen Kambodscha.«
    Ich bat sie, mir die zu erzählen, wenn ich wieder zu Hause wäre. So lange Gespräche auf dem Handy kann ich mir nicht leisten.
    Eine Station vor dem Hauptbahnhof stiegen zwei Jungs ein, die aussahen wie Stricher auf dem Weg zur Arbeit. Der ältere war um die sechzehn, wirkte wie ein Profi, war relativ gut angezogen und geradezu atemberaubend schön. Der kleinere war garantiert keinen Tag älter als vierzehn, hatte ein paar Pickel am Hals und Aknenarben im Gesicht, trug Kik-Klamotten, starrte unentwegt den dreckigen Boden der Bahn an und hielt sich an einer Cola-Flasche fest. Ich hatte plötzlich die schwachsinnige Hoffnung, die beiden könnten wissen, wo Marco steckte. Also ging ich ihnen auf dem Bahnhof hinterher. Sie schlenderten durch die Halle Richtung Breslauer Platz und blieben vor McDonald’s stehen. Der Große flüsterte dem Kleinen etwas zu und ging dann weiter Richtung Ausgang. Der Kleine blieb stehen und sah sich nervös nach allen Seiten um. Ich überlegte gerade, ob ich mich an den Kleinen halten oder besser dem Großen hinterherlaufen sollte, als ein Mann auf den Kleinen zukam, ein paar Worte mit ihm wechselte und ihn mit einer einladenden Geste in das Lokal führte.
    Ich folgte ihnen im Wortsinne auf dem Fuße, denn der Mann war niemand anderes als »mein« Regisseur, der arrogante Typ, der die Produktion meines letzten Stücks gemacht hatte.
    »Na warte, du Wichser!«, dachte ich, wobei mir nicht ganz klar war, was ich jetzt eigentlich tun sollte oder könnte oder wollte. Ich holte mir also erst mal einen Kaffee und setzte mich ostentativ an den Nebentisch. Mr. Regie sah zu mir herüber und erkannte mich. Er wurde nicht gerade rot, aber es war ihm ganz eindeutig unangenehm. Er nickte mir unfreundlich zu und setzte seinen Flüsterdialog mit dem Jungen fort. Das heißt, er redete beschwörend auf ihn ein, drückte ihm schließlich ein paar Scheine in die Hand und ging.
    Der Junge wollte aufstehen, aber ich war schneller. »Ich hab mal ‘ne Frage.«
    Er sah sich panisch nach einem Fluchtweg um.
    »Ich bin weder von der Sitte noch vom Jugendamt«, versuchte ich ihn zu beruhigen. »Ich suche einen kleinen Jungen, Marco, der ist von seinen Pflegeeltern weggelaufen …«
    Er starrte mich an, als hielte ich ihm eine Knarre vors Gesicht, dann startete er durch und war weg. Ich wusste, es hatte keinen Sinn, ihm hinterherzurennen. Aber ich hätte zu gern gewusst, wofür ihm Mr. Regie so viel Geld gegeben hatte. Der Kerl war nicht nur eingebildet, er war auch ganz und gar nicht koscher. Und er machte einen Film über Kinderprostitution in Kambodscha. Was, wenn er an dem Thema ein ganz persönliches Interesse hatte? Ich beschloss, Martin anzurufen, und machte mich endlich auf den Heimweg.
    Rosa war stinkesauer. Dabei wusste ich noch nicht mal, warum, schließlich war ich heute Morgen noch früher als ohnehin schon nötig aufgestanden, um Madame ihr Futter zu geben. Dann roch ich den Grund für ihren Groll. Bat sie um Verzeihung und machte das Katzenkistchen sauber.
    »Du bist nicht mehr du selbst, Leichter«, sagte ich mir. »Ständig vergisst du etwas, das für deine Lieben wichtig ist.« Die Geschichte mit Marco überforderte mich.
    Hertha stand am Herd und deutete mit dem Kinn in Richtung Neles Zimmer. Dieses Zimmer war einmal für Herthas Sohn gedacht gewesen, für den Fall, dass er seine leibliche Mutter besuchen wollte. Wollte er aber nicht. Als Nele sich letzten Winter vor der Polizei hatte verstecken müssen, hatte Hertha sie in dem Zimmer untergebracht. Dann hatten die beiden Ladys aus der Not eine Tugend gemacht und wohnten seither zusammen. Und jetzt packte Nele ihre Sachen.
    Ich klopfte an und trat ein. Nele kniete auf dem Boden und zerrte am Reißverschluss einer völlig überfüllten Reisetasche. Ich hockte mich neben sie und half ihr. Als das Ding endlich zu war, setzten wir uns auf das Bett und steckten uns erst mal eine Kippe an. Nele hatte die Haare ins Gesicht hängen, ich konnte nur die Nase erkennen. Ich langte nach ihrer Hand und hielt sie fest.
    »Du schaffst es, Süße.«
    »Und wenn ich gar nicht

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