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Endstation Nippes

Titel: Endstation Nippes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Strobl
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Wien, at court, zu Zeiten von Mozart. Er war Mozarts Konkurrent, oder besser gesagt, Mozart war seiner, hast du den Film von Forman gesehen?«
    »Hä?« Ich war mal Punk gewesen. Ziemlich lange sogar. Und jetzt höre ich Amy Winehouse und so was. Mozart ist nicht ganz mein Revier.
    » Never mind . Was ich dir sagen will, ist: Dieser A. Salieri in dem Impressum von F.I.C. , das ist mit Sicherheit ein fake . Ein Pseudonym.«
    Na bitte. Ich hatte es geahnt.
    Sie habe gerade stundenlang mit ihrem cousin George telefoniert, berichtete sie mir, der wiederum in den Unterlagen der UNESCO nachgeguckt hatte. Und jetzt wurde es wirklich spannend. Professor Grimme war bereits vor einem Jahr aus dem Vorstand von F.I.C. ausgetreten. Und seit einem Monat gab es auch die Organisation nicht mehr. Sie hatte sich aufgelöst. Die anderen Vorstandsmitglieder waren kambodschanische Staatsbürger gewesen, Adressen von ihnen lagen nicht vor.
    »Mary, du bist genial«, hauchte ich.
    »Nicht ich«, wehrte sie ab, »diese Informationen verdanken wir George. Und der ist gerade sehr, sehr misstrauisch geworden. Er wird der Sache weiter nachgehen.«
    »Und dich weiter auf dem Laufenden halten?«
    »Ja, das wird er.«
    Ich bat sie, ihm auch in meinem Namen zu danken. Und voranzumachen.
    Ich schlüpfte in die Schuhe und schnappte mir den Einkaufskorb. War noch nicht ganz an der Wohnungstür, als es klingelte.
    »Kann ich ma reinkommen?«, fragte Hotte.
    Ich führte ihn in die Küche und setzte Kaffeewasser auf. Er sagte kein Wort und tigerte zwischen dem Tisch und dem Fenster hin und her.
    »Hotte«, bat ich, »kannst du dich hinsetzen? Du machst mich total nervös.« Ich stellte den Aschenbecher und zwei Kaffeebecher auf den Tisch. Hotte setzte sich und drehte sich eine Zigarette. Ich goss den Kaffee auf, schenkte uns ein und setzte mich ihm gegenüber. »Was ist los?«
    Rosa kam um die Ecke gebogen, schnupperte an Hottes Hose und sprang auf seinen Schoß. Er kraulte sie hinter den Ohren und studierte die Tischplatte.
    Ich will zwar schon länger wirklich weniger rauchen, aber nun steckte ich mir doch eine an. Hotte schlürfte geräuschvoll seinen Kaffee, ansonsten gab er keinen Laut von sich.
    »Scheiße«, dachte ich, »er will mit Nele Schluss machen. Sie ist ihm zu viel.« Ich wollte gerade etwas sagen, da fiel mir die noch schlimmere Möglichkeit ein: Nele ging doch nicht in die Entgiftung. Sie hatte beschlossen, die Therapie zu schmeißen. Lag voll zugedröhnt drüben auf dem Sofa. Und Hotte musste es mir beibringen.
    »Hotte?«
    Er sah mich an, Verzweiflung im Blick. »Katja, ich schaff das nicht.«
    Ich habe immerhin so viel Erfahrung mit Männern, dass ich wusste, ich durfte jetzt bloß nicht nachfragen! Also trank ich schweigend meinen Kaffee und zog an der Zigarette.
    »Ich hab’s schon mal verbockt als Vater. Total verbockt. Ich war auf Jück oder in der Kiste, aber bloß nich zu Hause. Und die Inge, meine Alte, die hat sowieso gar nichts gerafft. Und ich hab nicht gerafft, dass sie’s nicht rafft.«
    Er sah mich fragend an. Ich schaute ebenso fragend zurück.
    »Darum is der Jung ja auch draufgekommen. Da war ja keiner da, der sich um den gekümmert hätt. Die Inge war am Rumhuren, und ich war am Arbeiten. Also, arbeiten …« Er grinste schief. »Oder am Fiere mit den Jungs.« Wieder der fragende Blick. Dann konzentrierte er sich erneut auf Rosa. Was sie mit einem mittelstarken Schnurren quittierte.
    Worauf will er raus?, fragte ich mich, obwohl ich es dunkel ahnte.
    »Ich hab keine Erfahrung so als Vater, weißte?«, fuhr er schließlich fort. »Ich weiß nit, wie dat geht. Und dann mit so Kinders wie der Chantal und dem Pico.« Er stand abrupt auf, Rosa landete unsanft auf dem Boden und fauchte wie eine angeschossene Tigerin. »’tschuldigung«, murmelte Hotte, aber Rosa stolzierte zutiefst gekränkt aus der Küche. Hotte ging zum Fenster und drehte sich eine neue Zigarette. Zündete sie an, nahm einen tiefen Zug und rückte schließlich mit der Sprache heraus.
    »Ich kann die Pänz nich nehmen, Katja. Ich krieg das nich geregelt.«
    »Und wo sollen sie hin?«
    »Keine Ahnung. Ins Heim. Da ham die so Psychofritzen und all so wat. Für den Marco.«
    Ich sah den Jungen vor mir, seinen kleinen verkrampften Körper, das dünne, fast weißblonde Haar, das ihm Chantal mit der Nagelschere zu einer Stoppelfrisur zusammengeschnitten hatte, das blasse Gesichtchen, die violetten Schatten unter den Augen, die unheilbare Angst in seinem

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