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Endstation Nippes

Titel: Endstation Nippes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Strobl
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länger. Und überhaupt: Was ist mit dem Bruder und dem Vater von der Grimme? Wo stecken die? Und warum interessiert ihr euch nicht für die?«
    »So nicht, Frau Leichter.«
    »Tina, verstehst du nicht, dass mich dein Verhalten total misstrauisch macht? Du hast doch dieses Horrorbuch von der Grimme gelesen. Du weißt, was ihr Vater und ihr Bruder mit ihr gemacht haben. Warum greifst du dir die Herren nicht? Was geht bei dir ab? Oder bei euch?«
    »Ich kann und werde dir keine Auskünfte geben, Katja Leichter. Aber ich werde dich unter Garantie noch mal vernehmen. Und jetzt tschüss.«
    Peng. Ich starrte den Telefonhörer an. Fühlte mich benommen und hilflos. Ganz weit hinten in meinem Hinterkopf wollte mir etwas ein Zeichen geben. Ich versuchte, achtsam zu atmen. Merkte dabei, dass mein Atem pfiff. Beschloss mal wieder, weniger zu rauchen. Es irgendwann ganz aufzugeben. Steckte mir eine an. Da kam das Zeichen von ganz hinten nach vorn: Tina hatte irgendwie künstlich geklungen. So als spräche sie vor Publikum. Vielleicht war doch nicht alles verloren. Wer weiß, welchen Trouble sie gerade mit diesem Staatsanwalt hatte.
    Mein Handy piepte, ich hatte eine neue SMS . »Hans. 17033978. Van Maarsen.«
    Yippie! Dann kam ich wieder zur Besinnung: Was bedeutete das? Warum ließ mir Tina Informationen heimlich über ihr Privathandy zukommen? Ich schrieb die Namen und die Telefonnummer ab und löschte die SMS . Rief Grimme an. Landete auf dem AB . Griff mir erneut das Telefonbuch und suchte nach van Maarsen. Fand zwei Einträge, rief an, landete zuerst bei einer alten Dame, die mir empört erklärte, sie sei nicht Frau, sondern Fräulein van Maarsen. Und dann bei einem Kind, das meinte, Mama sei nicht da und Papa habe erst am Samstag wieder Besuchstag.
    »Ach, ich wollte ihm nur sagen, es tut mir so leid mit Tante Maria«, versuchte ich mein Glück.
    »Welche Tante Maria meinen Sie denn?« Jetzt klang die Kleine misstrauisch.
    »Na, deine Tante Maria. Die gestorben ist.«
    »Ich habe keine Tante Maria, und jetzt muss ich einhängen. Ich rede nämlich nicht mit Fremden.«
    Also gab ich den Namen bei Google ein. Bekam mehrere Einträge zu der niederländischen Autorin Jacqueline van Maarsen, die ein Buch über Anne Frank geschrieben hatte, und einen zu einem Blumenversand Maarsen in der Schweiz. Outlook informierte mich mit einem Pling darüber, dass ich eine neue Mail hatte.
    Der Name des Heims, schrieb Jeff, war Tashi Delek. Ha, ha, sehr einfallsreich, dachte ich. Das heißt »Gutes Gelingen!« und ist die traditionelle tibetische Begrüßungsformel. Laut Auskunft von Nachbarn, berichtete Jeff weiter, befanden sich dort an die sechs, sieben Kinder, Mädchen und Jungen, im Alter zwischen drei – hier hatte Jeff ein Ausrufungszeichen eingefügt – und zehn Jahren. Nachdem die »Mönche« das Angebot, die Kinder von den Ärzten der Free Clinic untersuchen zu lassen, abgelehnt hatten, war Jeff noch misstrauischer geworden. Er hatte einen nepalesischen Freund hingeschickt, der vorgab, er wolle eine größere Geldsumme spenden, sich aber erst einmal das Heim und die Kinder ansehen. Die angeblichen Mönche hatten darauf nicht besonders enthusiastisch reagiert. Sie hatten gemeint, die Kinder seien sehr scheu, sie hätten vor Fremden Angst, bis auf Weiteres könnte man deshalb niemanden in den inneren Bereich des Hauses lassen. Sie würden aber natürlich gern alle Fragen des edlen Herrn beantworten. Also hatte Jeffs Freund gefragt, woher sie kämen und wie sie auf die Idee gekommen seien, ein solches Projekt zu initiieren.
    Sie hätten im Sherab-Kloster in Tibet gelebt, hatten ihm die zwei Mönche erzählt, die ihn in Empfang genommen hatten. Andere, fügte Jeff in Klammern ein, hatte sein Freund nicht zu Gesicht bekommen. Vor ein paar Jahren seien sie nach Indien geflohen und von dort, auf Einladung der tibetischen Community, in die Schweiz gereist. Da habe ihnen ein reicher Gönner der Tibeter vorgeschlagen, in Kathmandu ein Heim für Kinder zu errichten, die man in die Prostitution verkauft hatte. Die Kinder brächten ihnen »heldenhafte Menschen«, die sie »aus der Gewalt ihrer Schänder« befreiten. Sounds great, doesn’t it? , hatte Jeff ironisch angemerkt. Mehr als das hatte sein Freund nicht aus ihnen herausbekommen und wusste auch sonst niemand. Zum Kloster Sherab hatte niemand Kontakt. Das Kloster war schon in den vierziger Jahren wegen des Verhaltens eines Abtes in Verruf geraten, nach dem Einmarsch der Chinesen war

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