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Endstation Nippes

Titel: Endstation Nippes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Strobl
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schrecklich.«
    Er nickte. »Wann will Tina Gruber denn kommen?«
    »Keine Ahnung. Ich ruf mal an und frage sie.«
    In dem Moment klingelte mein Handy. »Hallo? Tut mir leid, ich schaffe das nicht. Wir machen garantiert bis Mitternacht durch, wenn nicht die ganze Nacht. Ich melde mich.«
    »Aber …«
    Sie war schon nicht mehr in der Leitung.
    »Tina hat abgesagt.« Ich sah Stefan herausfordernd an. »Und sie klang schon wieder so komisch. So als sollte keiner mitkriegen, dass sie mit mir spricht.«
    Bei Franco bekamen wir gerade noch einen Zweiertisch. Seit im Stadtanzeiger eine hymnische Kritik zu seinen Pizzas gestanden hatte, war er noch voller als ohnehin schon. Anita merkte, dass etwas nicht stimmte, und ließ uns in Ruhe. Ich nahm die Gnocchi mit Rucolapesto.
    »Ein Kölsch, ein Bleifrei?«
    »Nö, heute zwei Kölsch.«
    Sie sah mich fragend an, sagte aber nichts. Drückte mich im Gehen leicht an der Schulter. Ich hätte schon wieder heulen können.
    Wir konzentrierten uns auf die Gnocchi. Dann erzählte mir Stefan von seinen Sorgen. Alice, eine seiner ältesten Klientinnen, war gestorben. Nicht an einer Überdosis, sondern an Organversagen. Ihr Körper, verbraucht von Heroin, Alkohol, Tabletten und Junkfood, hatte einfach aufgegeben. Ich kannte Alice von früher, aus den alten Zeiten, und danach hatten wir uns immer mal wieder zufällig getroffen, wenn sie auf der Ehrenstraße die »Von Unge« verkaufte. Wir hatten ein bisschen miteinander geredet, sie hatte sich beschwert, dass »die Baum«, ihre Vergabeärztin, ihr kein Methadon gab, wenn sie zu viel Alkohol im Blut hatte – »Dabei hab ich kaum was getrunken, das musste dir mal vorstellen!« –, und ich hatte ihr eine Zeitung abgekauft. Ihr Tod tat mir weh. Und ich war heilfroh, dass Nele in der Entgiftung war.

FÜNFZEHN
    Als ich aufwachte, war Stefan schon weg. Er hatte mir ein Liebesbriefchen und ein frisches Croissant hinterlassen, aber lieber wäre mir gewesen, er hätte mich geweckt. Andererseits, das Ausschlafen hatte mir gutgetan. Ich gönnte mir noch eine ausgiebige Dusche, samt anschließender Eincremeorgie, machte mir eine kräftige Tasse Assam und aß das Croissant. Dann fühlte ich mich für diesen neuen Tag gewappnet.
    In meinem Arbeitszimmer blinkte der Anrufbeantworter. Die erste Nachricht stammte von meiner Lieblingsredakteurin. Sie habe heute früh auf dem News-Ticker die Meldung gefunden, in Köln sei ein Mann festgenommen worden, dem die Polizei den Mord an zwei Kindern vorwirft. Die zweite Nachricht stammte auch von ihr: Ein Kollege von WDR 2 sei auf der Pressekonferenz der Polizei gewesen. Und das sei seine Durchwahlnummer …
    Ich musste mich erst mal hinsetzen. Damit hatte ich nun gar nicht gerechnet. Dann rief ich Tina Gruber an. No reply . Also versuchte ich es bei dem WDR -Kollegen. Der Festgenommene, erzählte er mir, sei ein zweiundsechzigjähriger Hartz- IV -Empfänger. Er wohne in einer Laube in der Schrebergartenkolonie am Nordpark. Nachbarn hätten beobachtet, dass er neuerdings einen kleinen Jungen bei sich hatte. Der Junge habe verstört und ängstlich gewirkt. Eine der Schrebergartennachbarinnen habe ihn schließlich als den vermissten Jungen wiedererkannt, dessen Foto neulich in der Zeitung war. Daraufhin habe die Polizei die Laube des Zweiundsechzigjährigen durchsucht und eindeutige Spuren des Jungen gefunden. Der Junge sei gestern im Nordpark ermordet aufgefunden worden. Der Festgenommene äußere sich nicht zur Tat.
    »So ein Schwachsinn!«, entfuhr es mir.
    »Wie meinen Sie das?«, fragte der Kollege neugierig.
    »Der war’s nicht«, erwiderte ich wütend.
    »Das wissen Sie?« Seine Stimme troff vor Ironie.
    »Ja, das weiß ich.«
    »Dann sollten Sie das vielleicht der Polizei mitteilen.«
    Genau das hatte ich vor. Aber Tina Gruber ging und ging nicht dran. Also rief ich Bruderherz an. Ließ mich zu ihm durchstellen, obwohl er im Mandantengespräch war. Seine Sprechstundenhilfe mag mich.
    »Paul«, sagte ich knapp, »tut mir leid, dass ich störe, aber es muss sein. Der Mann, den sie wegen Marco verhaftet haben, war es nicht. Du musst ihn verteidigen. Du musst sofort zu ihm in den Knast fahren!«
    »Katja, ich rufe dich in circa einer Viertelstunde zurück, ja?«
    Ja, klar. Ich hörte selbst, dass ich hysterisch klang.
    Tina Grubers Handy spielte weiter »Ich bin tot«. Ich ging rüber zu Hertha und bat sie, zu mir zu kommen. Erzählte ihr von der Festnahme.
    »Ich hab’s grade im Radio gehört«, sagte sie

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