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Endstation Nippes

Titel: Endstation Nippes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Strobl
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haben.« Der eine von ihren Hiwis legte mir Handschellen an, der andere schlitzte meine Matratze auf und wühlte darin herum. Schrie: »Wo hast du den Stoff versteckt, du Junkienutte?« Ich schrie zurück: »Verpiss dich, Wichser!« Dann sah ich, dass Chantal in der Tür stand und sich eine brennende Zigarette in den Unterarm drückte. »Hör auf!«, brüllte ich, »Hör auf!«
    Jemand packte mich, ich wehrte mich. »Katja, Katja, wach auf!«
    Hertha schüttelte mich. Ich rieb mir die Augen. Starrte zur Tür, aber da war keine Chantal.
    »Ich hab geträumt«, murmelte ich.
    »Du hast geschrien wie am Spieß und um dich geschlagen«, erklärte Hertha und musterte mich kritisch. Sie nahm den Joint-Stummel aus dem Aschenbecher und roch daran. »Was issn das fürn Gras?«
    »Das ist okay, das hab ich von Mary.«
    »Na ja«, meinte sie und ließ sich in den Sessel fallen, »bei all dem Driss kriegste auch von alleine Alpträume.«
    Wohl wahr.
    »Hörma.« Sie beugte sich zu mir vor. »Da war so ‘n Typ im Hausflur. Ja? So die Sorte ›anal ohne Gummi‹.«
    Hertha hat auf der empirischen Grundlage ihrer langjährigen Erfahrung als Prostituierte eine Ranking-Liste für Männer erstellt: Stammi. Okay. Geht so. Normalo. Preisdrücker. Sozialfreier. Ohne Gummi. Pervers. Und ganz unten, auf dem vorletzten Platz der Rangliste: Anal ohne Gummi. Das war: Abschaum. Darunter kam nur noch: Kinderficker. Was, fragte ich mich also, hatte so einer in unserem Hausflur zu suchen? Hertha hatte sich die Frage offenbar auch schon gestellt.
    »Erzähl das mal deiner Kommissarin. Ich tät der den beschreiben.«
    Ich versprach ihr, Tina zu informieren. Wollte aber erst mal wissen, warum Hertha in meine Wohnung gekommen war. Das tat sie unaufgefordert nur in echten Notfällen.
    »Ja, wie der Kerl weg war, also, wie ich dem deutlich gemacht habe, dass er sich aber zügig vom Acker machen soll, da hab ich dich brüllen hören. Und da hab ich gedacht, Scheiße, da is einer bei der Katja und tut der was an.«
    Hertha ist eine alte Frau. Wenn sie das Rheuma in den Knien plagt, kann sie kaum gehen, und auch sonst ist sie nicht die Fitteste. Was sie aber nicht davon abgehalten hatte, den Typen aus dem Haus zu jagen und dann mich retten zu wollen. Ich war gerührt.
    Sie wehrte meinen Dank ab.
    »Willste nicht endlich mal aufstehen? Es is schon sechs Uhr durch.«
    Ich schrak hoch. Gleich müsste Tina Gruber auf der Matte stehen. Und für die Konfrontation musste ich hellwach sein.
    Ich riss das Fenster auf, kippte den Restjoint in den Mülleimer und wusch mir gerade noch das Gesicht mit kaltem Wasser, als es tatsächlich an der Tür läutete.
    »Ich lenk die erst mal ab, bis es hier nicht mehr so riecht«, meinte Hertha und humpelte hinaus.
    Es war aber nicht Tina Gruber. Es war Stefan. Er hatte den letzten beiden Klienten abgesagt, um früher bei mir zu sein. Er nahm mich in den Arm, und dann ging gar nichts mehr. Ich heulte mir die Seele aus dem Leib. Stefan hielt mich fest und ließ mich weinen, bis ich keine Tränen mehr hatte. Dann ging er zum Kühlschrank, sah rein und stellte irritiert fest: »Da ist kein Alkoholfreies drin.«
    »Ja«, erwiderte ich verrotzt, »ich will ‘n echtes.«
    Ich sah, dass er kurz zögerte, ganz Suchtherapeut, ha, ha, ha. Dann stellte er zwei Flaschen und den Aschenbecher auf den Tisch. Ich erzählte ihm alles. Er hörte zu, ohne mich zu unterbrechen, zwischendrin zog er scharf die Luft ein oder gab einen entsetzten Laut von sich. Als ich fertig war, stand er auf und lief in der Küche herum.
    »Tina Gruber«, sagte ich, »will heute Abend vorbeischauen. Sie verhält sich sehr, sehr merkwürdig. Da ist was oberfaul. Und ich werde keine Ruhe geben, bis ich weiß, was los ist. Die tun nichts. Die ermitteln nicht. Die kümmern sich um gar nichts.«
    »Katja, das weißt du doch nicht. Vielleicht will sie dich einfach nicht in die Ermittlungen einweihen. Das darf sie ja auch gar nicht.«
    »Quatsch!« Ich erzählte ihm von der SMS . »Die traut sich nicht, mit mir zu reden. Die hat Schiss. Und ich will wissen, vor was. Oder wem. Und wenn die den Mörder von Marco nicht suchen, dann suche ich den.«
    »Katja, du lässt die Finger davon!«
    »Vorsicht, ja? Du hast mir nichts vorzuschreiben.«
    Er sah mich traurig an. Mir fiel ein, dass ich freundlicher zu ihm sein wollte. Dass ich unendlich dankbar für seine Liebe war. Dass ich ihn liebte .
    »Tut mir leid«, sagte ich. »Ich bin so froh, dass du da bist. Es ist alles so

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