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Endstation Nippes

Titel: Endstation Nippes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Strobl
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sah auf die Uhr, es war erst ein Uhr mittags. Ich konnte es kaum glauben, meinem Gefühl nach war es später Nachmittag. Ich überlegte, ob ich Lanzing anrufen und es ihr sagen sollte. Aber vielleicht verstummte sie dann vor lauter Schock vollends. Ich ließ es also sein, nahm mir das Telefonbuch und schrieb alle Ärzte mit Praxisadressen in Lindenthal heraus. Das waren eine ganze Menge. Und was, überlegte ich, als ich endlich damit fertig war, wenn er gar nicht in Lindenthal praktiziert?
    Als das Telefon klingelte, nahm ich beim ersten Ton ab und schrie »Ja?« in den Hörer. – Rauschen. – Das konnte nur Jeff sein.
    »Jeff?«
    Es rauschte weiter, ganz weit entfernt sagte jemand »Hold on, please!«
    Und plötzlich war die Verbindung klar, als würde Jeff aus Weidenpesch anrufen.
    »Katja, Darling, wie geht es dir?«
    Er sollte eigentlich längst in seinem Drei-Jahres-Retreat sein, aber dann hatte es plötzlich geheißen, der Karmapa würde möglicherweise im Mai nach Europa kommen – und Jeff gern als Übersetzer mitnehmen. Also hatte sich mein Exgeliebter, der mittlerweile Mönch ist, bereit erklärt, seine Ausbildung zum Lama um ein Jahr zu verschieben. Und dann war die Europatour des Karmapa geplatzt. Ich an Jeffs Stelle wäre stinkesauer gewesen, aber ich bin dharmamäßig immer noch etwas unterentwickelt.
    »Ach, Jeff«, seufzte ich, »eigentlich geht es mir gut. Aber ich bin in eine schreckliche Geschichte reingeraten.« Ich wollte ihm gerade davon erzählen, da kam mir eine Idee.
    »Jeff? Ich weiß, es ist weit hergeholt, aber kennst du zufällig irgendwelche Mönche oder Westler in Kambodscha?«
    »Nein, leider, gar nicht. Ich kenne kaum Theravada-Leute. Aber warum fragst du?«
    Jetzt erzählte ich ihm doch von Marco. Er hörte mir schweigend zu. Als ich fertig war, sagte er mit belegter Stimme: »Wir machen eine Puja für ihn.«
    Ich dankte ihm und berichtete, was Marys Cousin über den Kinderpuff in Phnom Penh herausgefunden hatte. »Deshalb hab ich gedacht, vielleicht kennst du da jemanden, der das mal checken könnte. Jemanden, der vertrauenswürdig ist.«
    Schweigen.
    »Jeff? Bist du noch dran?«
    »Äh, ja.«
    »Was ist los?«
    »Wir haben hier etwas ganz Ähnliches«, sagte Jeff nachdenklich. In Kathmandu hatten ein paar Mönche, von denen niemand so recht wusste, wo sie herkamen und zu welchem Kloster sie gehörten, ein Haus gekauft und ein Kinderheim daraus gemacht. Und zwar für Kinder, die zur Prostitution gezwungen worden waren. Die Mönche hatten die Kids angeblich freigekauft und wollten ihnen nun zu einem neuen Leben verhelfen. Das Geld dafür, hatte Jeff gehört, stammte von deutschen oder Schweizer Förderern. Diese Info kam allerdings aus der Gerüchteküche, und die kocht in Kathmandu schon mal sehr phantasievoll.
    »Sie sagen, sie wollen die Kinder heilen«, berichtete er weiter, »aber als wir angeboten haben, dass unsere Ärzte sie untersuchen, haben sie abgelehnt.«
    Das Kloster unseres Rinpoche unterhält eine Free Clinic für Nepalesen, die sich keine ärztliche Behandlung leisten können. Die Ärzte dort sind erfahrene Mediziner, sie haben einen guten Ruf, jeder in Kathmandu weiß, wer sie sind und was sie können. Wenn man ein solches, noch dazu kostenloses Hilfsangebot ablehnt, ist das schon ziemlich seltsam.
    »Stattdessen aber«, fuhr Jeff fort, »haben Nachbarn gesehen, wie ein bekannter Führer der maoistischen Guerillas mehrmals in das Haus gegangen ist.«
    Das war nun mehr als seltsam. Mönche und Maoisten – das geht nicht zusammen.
    »Rinpoche macht sich Sorgen um die Kinder. Aber du weißt ja, wie es hier ist, es bringt nicht viel, die Polizei zu alarmieren.«
    Wohl wahr.
    »Jeff, kannst du da dranbleiben?«
    »Ich schicke dir alle Infos, die ich zu diesem Heim und den angeblichen Mönchen habe, per Mail, Katja«, versprach er. »Und noch etwas: …«
    Und dann war die Leitung tot. Ich wusste aus Erfahrung, dass es keinen Sinn hatte, zurückzurufen. Vermutlich gab es mal wieder einen Stromausfall. Es blieb mir nichts anderes übrig, als auf Jeffs Mail zu warten.
    »Das kann jetzt alles Zufall sein«, sagte ich zu Rosa, »aber das Muster ist irgendwie dasselbe.«
    Dann rief ich Tina an. Ziemlich kurz angebunden, denn ich war inzwischen richtig sauer auf sie.
    »Sag mir nur, wie Grimme mit Vornamen heißt, seine Telefonnummer und den Mädchennamen seiner Frau.«
    »Das darf ich nicht.«
    »Ach, hör auf! Ich krieg’s auch so raus. Das dauert nur verdammt viel

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