Endstation Oxford
verteilt.«
»Estelle? Kaufhaus? Dieser Schal ist ein Designerstück und kostet gut und gern vierhundert Pfund.«
»Um Himmels willen! Bist du sicher? Ich wusste nicht, dass man so viel für ein Schultertuch hinblättern kann.«
Kate seufzte. »Die meisten von uns können es nicht und würden es wahrscheinlich auch dann nicht tun, wenn sie es könnten. Aber Estelle schuftet hart für ihr Geld und gibt es auch für Tücher aus, wenn ihr danach ist.«
»Es sei ihr gegönnt. Und du glaubst, dass du diesen seltenen Schal in einer Ecke des Dachfensters eines Hauses in North Oxford gesehen hast, das einem alteingesessenen und angesehenen Geschwisterpaar gehört?«
»Ich weiß allerdings nicht, in wessen Hälfte, und ich weiß auch nicht, ob beide wissen, dass Estelle dort ist.«
»Darüber muss ich einen Moment nachdenken.«
»Für mich sah es wie ein Hilferuf aus«, sagte Kate. »Ein kleines, mutiges Signal, das in der Hoffnung gesetzt wurde, dass jemand kommt und sie rettet.«
»Es könnte aber auch deine Fantasie sein, die mit dir durchgegangen ist.«
»Aber ich kann dieses Zeichen nicht einfach ignorieren, oder? Zumal seit Myles …«
»Seit Myles tot ist?«
»Ganz genau.«
»Ich bin zwar noch immer nicht überzeugt, dass es da einen Zusammenhang gibt, aber wenn doch, ist wohl eine gewisse Dringlichkeit geboten.«
»Dringlichkeit ist genau das richtige Wort.«
»Hast du das Gartentor gelassen, wie es ist? Können wir noch einmal hinein?«
»Bestimmt. Du meinst also, wir sollten hingehen und die Sache noch einmal genauer in Augenschein nehmen?«
»Ich dachte, ich nehme für alle Fälle meine Kamera mit.«
»Ich hole meine Jacke.«
»Als Erstes müssen wir ganz sicher sein, dass es sich tatsächlich um das Haus der Akins handelt und dass sie dort auch wohnen. Hast du schon mal daran gedacht, dass sie es vermietet haben könnten? Falls nicht, wäre es sinnvoll, herauszufinden, wer auf welcher Seite lebt.«
»Und was schlägst du vor?«
»Wir sehen zu, dass wir um kurz vor eins dort sind, verbergen uns im Gebüsch und beobachten, wer kommt.«
»Ehrlich gesagt missfällt mir die Aussicht, mich an einem eisigen Januartag in einem Gebüsch verstecken zu müssen.«
»Hast du eine bessere Idee?«
»Wir nehmen den Wagen und parken irgendwo in der Nähe, wo wir einen guten Blick auf das Haus haben.«
»Und wenn sie uns sehen?«
»Wir nehmen einfach eine große Landkarte mit, hinter der wir uns verstecken können. Jeder wird denken, dass wir Touristen sind, die sich verirrt haben.« Sie registrierte den zweifelnden Ausdruck auf Craigs Gesicht. »Und wage es nicht, mir zu erklären, dass im Januar nicht gerade viele Touristen unterwegs sind.«
32
Kate und Craig hüllten sich in Jacken, Schals, Mützen und Handschuhe. Kritisch musterten sie einander.
»Ich finde deine Brille ziemlich auffällig«, meinte Kate. »Ich würde sie sofort wiedererkennen.«
»Aber ohne habe ich gewisse Probleme.«
»Na, dann muss es wohl sein. Und wie sehe ich aus?«
»Ein bisschen zu gestylt. Außerdem fällt dein Haar auf. Kannst du es nicht komplett unter die Mütze schieben?«
»Wenn ich das mache, kann ich es später nicht mehr bändigen. Aber ich bin sicher, dass mich unter dem ganzen Wollzeug ohnehin niemand erkennt.«
Um halb eins fuhren sie los. Kate parkte ein Stück vom Haus der Akins entfernt.
»Sind das hier keine Anwohnerparkplätze?«, wollte Craig wissen.
»Schon, aber um diese Tageszeit sind die meisten frei. Wir können nur hoffen, dass uns niemand aus der Nachbarschaft beobachtet und anzeigt.«
Craig schien nicht begeistert zu sein, aber Kate sah keine andere Möglichkeit, das Haus der Akins im Blick zu behalten.
»Von hier aus ist es ganz einfach, auf den Weg hinter den Häusern zu gelangen«, sagte sie. »Ich zeige dir, wie ich auf das Grundstück gekommen bin.«
Als sie das Gartentor der Akins erreicht hatten, stöhnte Craig auf. »Mein Gott, da hast du aber ganze Arbeit geleistet. Bist du wirklich sicher, dass dich niemand gehört hat?«
»Niemand hat gerufen oder nachgesehen. Und alles sieht genauso aus, wie ich es hinterlassen habe. Ich glaube nicht, dass inzwischen jemand hier gewesen ist.«
Craig stieß das Gartentor auf. Dabei achtete er darauf, nicht mehr Schaden als nötig anzurichten.
»Dort ist es«, flüsterte Kate und zeigte nach oben. »Siehst du das Erkerfenster gleich unter dem Dach? Da, in der Ecke.«
»Ich sehe ein Haus, das man vor neugierigen Blicken besonders gut
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