Endstation Oxford
gewaltsamer Tod ist immer eine ganz besondere Tragödie«, pflichtete Craig ihr bei. »So ein Ereignis verfolgt die Hinterbliebenen für immer.«
Auf seinem Gesicht lag ein so merkwürdiger Ausdruck, dass Kate vermutete, er müsse früher einmal etwas ähnlich Schreckliches erlebt haben. Schon jetzt empfand sie tiefes Mitleid mit den Betroffenen, mit Peter, mit seiner Mutter Pamela, mit Cathy und den beiden Mädchen. Und natürlich mit Estelle, falls Estelle noch … Nein, daran wollte sie nicht denken!
»Es gibt da eine Verbindung zu Estelles Verschwinden«, erklärte sie.
»Wenn Myles aus finanziellen Motiven getötet wurde, und danach sieht es im Augenblick aus, dann hat es vermutlich mit seinen Spielschulden zu tun und nicht mit Estelle.«
»Vielleicht gab es auch Ärger bei seiner Arbeit. Selbst Familienanwälte haben hin und wieder mit zwielichtigen Gestalten zu tun.«
Wieder kam ihr der Liberty-Schal in den Sinn. Sollte sie Craig erzählen, was sie gesehen hatte?
»Woran denkst du?«, fragte Craig.
»Ich habe auf meinem Spaziergang etwas entdeckt.«
»Und das wäre?«
»Ich bin zum Haus der Akins gelaufen, weil ich es mir einmal ansehen wollte.«
»Das dachte ich mir bereits.«
»Es ist ein großes, dreistöckiges, viktorianisches Haus mit einer Tür in der Mitte, Erkerfenstern auf beiden Seiten und einem ungepflegten Garten. Du weißt sicher, was ich meine. Wahrscheinlich ist es ein Vermögen wert, dabei sieht es so heruntergekommen aus, als ob kein Geld für seine Instandhaltung vorhanden wäre.«
»Die Akins haben erst kürzlich eine Menge Geld in ihren Laden gesteckt, nicht wahr?«
»Ja, nachdem sie die alte Buchhandlung verkauft hatten. Trotzdem wird ihnen das sicher nicht leichtgefallen sein.«
»Sicher nicht.« Er wartete.
»Es sieht aus, als hätten sie das Haus in der Mitte geteilt und dann ausgebaut. Es gibt eine Eingangstür, aber zwei Klingeln. Das ganze Gebäude wirkt irgendwie geheimnisvoll.«
Craig blickte Kate zweifelnd an, unterbrach sie aber nicht.
»Vor allem auf der rechten Seite gibt es überall Vorhänge, Rollläden und Blenden. Ich wünschte, ich wüsste, welche Seite wem gehört, aber ich habe keine Anhaltspunkte gefunden.«
»Du meinst so etwas wie rosa Blümchenvorhänge?«
»Die würden ohnehin nicht dem Stil von Frances entsprechen. Nachdem ich mir von vorn alles angesehen hatte, bin ich nach hinten gegangen. Zwischen den Gärten in der Straße der Akins und denen der Parallelstraße verläuft ein schmaler Pfad. Du kennst das sicher: Links und rechts gibt es hohe Zäune und verschlossene Gartentüren. Eigentlich kann man nichts sehen.«
»Darf ich raten? Das Tor der Akins war nicht verschlossen.«
»Knapp daneben. Ich musste ein wenig nachhelfen, bis der Riegel nachgab.«
»Ich hatte mich bereits gewundert, woher der Staub und das Moos an deiner Schulter stammen. Du hast dir hoffentlich nicht wehgetan?«
»Nicht sehr. Auf jeden Fall bin ich so in den Garten gelangt. Von den Nachbarn war übrigens nichts zu sehen und zu hören. Wahrscheinlich waren die meisten auf der Arbeit.«
»Und was hast du gesehen? Ich nehme doch an, dass du etwas entdeckt hast.«
»Zunächst einmal probierte ich die beiden Hintertüren aus, doch sie waren beide abgeschlossen.«
»Jetzt sag bloß nicht, dass du eine davon eingeschlagen hast!«
»Natürlich nicht. Dann starrte ich auf die Fenster mit den schweren Vorhängen. Eines von ihnen, das sich ganz oben gleich unter der Dachrinne befindet, ist doppelt verglast und hat Innenblenden aus Holz. In einem solchen Zimmer um Hilfe zu rufen, macht absolut keinen Sinn, denn niemand würde es hören. Ich hatte keine Möglichkeit, festzustellen, ob sich jemand in diesem Raum befand. Allerdings habe ich zwischen Glas und Blende etwas Farbiges gesehen. Das Licht war nicht gut – hast du bemerkt, wie düster es draußen ist? –, aber dann kam plötzlich für ein paar Sekunden die Sonne heraus, und ich erkannte einen von Estelles Lieblingsschals. Jedenfalls sah der Stoff ihm sehr ähnlich«, ruderte sie ein Stück zurück.
Craig reagierte nicht gerade überwältigt.
»Das ist aber nicht mehr als eine Vermutung, oder?«, wandte er ein.
»Das Tuch ist sehr groß und quadratisch. Ein feiner Wollstoff, impressionistische rote Blumen auf einem neutralen Hintergrund mit blauem und grünem Paisleymuster am Rand.«
»Hört sich ganz hübsch an, aber wenn der Schal aus einem Kaufhaus stammt, gibt es davon Tausende über das ganze Land
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