Endstation Sehnsucht - Endstation Glueck?
hast früher nie so viele Fragen gestellt.“
„Ich habe früher überhaupt keine Fragen gestellt. Allerdings waren die Voraussetzungen damals auch ganz anders.“
„Ich war nie versucht zu heiraten“, gab er schließlich zu und sah sie ernst an. „Du erinnerst dich vermutlich nicht mehr daran, wie es war, als mein Vater starb. Du warst damals wie alt? 15? Es war eine furchtbare Zeit für meine Mutter und mich.“
„Ich kann mich noch daran erinnern. Du hattest dir eine einjährige Auszeit genommen, die du abbrechen musstest, um in der Firma deines Vaters anzufangen. Ich weiß noch, dass es dir damals überhaupt nicht gut ging.“
„Es gab viele Probleme. Die Angestellten waren nervös, genau wie die Bank. Du weißt vermutlich noch, dass ich schon früher in den Ferien in der Firma gearbeitet hatte.“ Er spürte, wie sie nickte, dann holte er tief Luft. Eigentlich glaubte er nicht daran, dass Beichten gut für die Seele waren. Warum also erzählte er ihr diese Dinge? Trotzdem machte er weiter. „Ich kannte mich ein wenig in der Firma aus. Aber im Grunde genommen war ich noch sehr unerfahren. Und es gefiel mir zwar nicht, aber ich war im Besitz der Aktienmehrheit und trug die Verantwortung für alles. Es war eine wirklich schwere Zeit für mich. Und dann habe ich mich mit einer Frau eingelassen.“
„Du hast dich mit einer Frau eingelassen?“ , sagte sie lauter, als sie beabsichtigt hatte.
„Bei dir klingt das so, als hätte ich einen Mord begangen“, antwortete er trocken. Dies war das erste Mal, dass er jemandem davon erzählte. Nicht einmal seine Mutter wusste davon. Und obwohl ihn schon andere Frauen darum gebeten hatten, mehr von sich zu erzählen, war Jennifer die erste Person, mit der er die Geschichte teilen wollte.
„Anita Hayward leitete die Buchhaltung. Sie sah aus, als käme sie direkt von der Titelseite eines Modemagazins. Lange Haare, lange Beine, große Augen. Sie besuchte mich häufig im Büro meines Vaters und schaffte es, im Umgang mit mir genau den richtigen Ton zu treffen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Menschen, die ich jeden Tag sah, schaute sie mich nicht mitleidig an oder wiederholte andauernd, wie leid ihr der Tod meines Vaters tat. Sie war zwar mitfühlend, aber gleichzeitig gab sie mir auch zu verstehen, dass mein Leben trotz der Tragödie weiterging. Ihr Verhalten war eine willkommene Abwechslung und genau das, was ich damals brauchte. Außerdem half sie mir sehr dabei, mich in der Firma zurechtzufinden und hielt mich über alles, was vor sich ging, auf dem Laufenden. Irgendwie wurden aus den zwanzigminütigen Besprechungen am Ende des Tages dann Abendessen in Restaurants.“
„Deine Mutter hat mir damals gesagt, dass du wenig zu Hause wärst, weil du so viel zu tun hättest.“
„Ich hätte häufiger zu Hause sein können. Aber Anita Hayward mit ihren langen roten Haaren und grünen Augen war sehr gut darin, mir den Kopf zu verdrehen. Und irgendwann hatten wir dann ein Verhältnis.“
„Und du fühlst dich immer noch schuldig deswegen.“
„Gut kombiniert, Sherlock! Schließlich fand ich heraus, dass sie mich nur benutzte. Sie war auf eine Beförderung aus und hoffte darauf, dass ich sie bei der nächsten Postenvergabe bedenken würde. Ich entdeckte übrigens auch, dass sie einen Freund hatte. Als ich eines Abends nochmal ins Gebäude zurückmusste, weil ich etwas vergessen hatte, erwischte ich die beiden in einem der Direktorenbüros. Ich kann allerdings nicht sagen, ob er von ihren Spielchen wusste oder ob sie ihn auch nur benutzte. Was ich mit Sicherheit weiß, ist, dass ich während einer sehr wichtigen Zeit in meinem Leben nicht aufgepasst habe.“
Jetzt verstand Jennifer endlich sein Verhalten gegenüber Frauen. Er hatte sich in eine attraktive, sensible und intelligente Frau verliebt und war von dieser manipuliert und ausgenutzt worden. Und das zu einem Zeitpunkt, als er sehr verwundbar gewesen war. Um sich davor zu schützen, noch einmal derartig verletzt zu werden, hatte er seitdem seine Gefühle und sein Innenleben vor der Außenwelt abgeschirmt und niemanden an sich herangelassen.
„Was wurde aus Anita Hayward?“, fragte Jennifer.
„Ich habe sie entlassen“, antwortete er emotionslos.
„Das Ganze tut mir sehr leid“, sagte sie leise.
Er zuckte mit den Schultern. „Wieso? Wir machen doch alle schmerzliche Erfahrungen in unserem Leben.“
„Hast du mir die Geschichte erzählt, damit ich mir keine Hoffnungen auf mehr mache?“, fragte
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