Endstation Venedig
sie überquerten zusammen die Straße und gingen auf den Weg, der zu den Bergen führte.
Lastwagen hatten zwei tiefe Rinnen in den Weg gegraben; mit den ersten schweren Regenfällen würde sich alles in eine Schlammwüste verwandeln und unpassierbar sein für Laster von der Größe, wie sie gerade einen gesehen hatten. Nach ein paar hundert Metern wurde der Weg etwas breiter und schlängelte sich an einem Fluß entlang, der vom See herunterkam. Bald danach verließ er den Fluß nach links, um nun einer langen Baumreihe zu folgen. Weiter vorn führte der Weg in eine scharfe Linkskurve und einen steilen Hang hinauf, wo er zu enden schien.
Unvermittelt trat Ambrogiani hinter einen Baum und zog Brunetti mit sich. Mit einer einzigen Bewegung griff der Carabiniere nach seiner Pistole und gab Brunetti mit der anderen Hand einen heftigen Stoß in den Rücken, so daß er zur Seite geschleudert und völlig aus dem Gleichgewicht gebracht wurde.
Brunetti ruderte mit den Armen in der Luft, unfähig, sich auf den Beinen zu halten. Einen Moment lang hing er zwischen Himmel und Erde, dann kippte der Boden auf ihn zu, und er wußte, daß er fallen würde. Dabei wandte er den Kopf und sah Ambrogiani direkt hinter sich, die Waffe in der Hand. Sein Herz zog sich in plötzlicher Angst zusammen. Er hatte diesem Mann vertraut, ohne auch nur einen Moment daran zu denken, daß die Person auf dem amerikanischen Stützpunkt, die von Fosters Neugier und Dr. Peters’ Affäre mit ihm erfahren hatte, ebensogut ein Italiener wie ein Amerikaner sein konnte. Und er hatte Brunetti sogar noch eine Waffe angeboten!
Er schlug vornüber und zu Boden, benommen und nach Atem ringend. Er versuchte auf die Knie zu kommen, dachte an Paola und sah das blendende Sonnenlicht ringsum. Ambrogiani ließ sich neben ihn fallen, warf einen Arm über seinen Rücken und drück-te ihn wieder nach unten.
Bleib liegen. Kopf runter!
zischte er
Brunetti ins Ohr, während er neben ihm lag und ihn mit dem Arm weiter auf dem Boden hielt.
Brunetti lag auf der Erde, die Finger ins Gras gekrallt, die Augen geschlossen, und fühlte nur das Gewicht von Ambrogianis Arm und den Schweiß, der seinen ganzen Körper bedeckte. Sein rasender Puls-schlag wurde vom Geräusch eines Lastwagens übertönt, der offenbar vom Ende der Schotterstrasse auf sie zukam. Er hörte den Motor vorbeidonnern und leiser werden, während der Laster in Richtung Hauptstraße zurückfuhr. Als er nicht mehr zu hören war, wuchtete Ambrogiani sich hoch und begann sich abzubürsten.
Entschul-
dige , sagte er, während er mit ausgestreckter Hand auf Brunetti herunterlächelte. Ich habe einfach gehandelt, zum Nachdenken war keine Zeit. Alles in Ordnung?
Brunetti ergriff seine Hand, zog sich daran hoch und blieb mit zit-ternden Knien neben dem anderen stehen.
Ja, alles in Ordnung ,
sagte er und bückte sich, um sich notdürftig den Staub abzuklop-fen. Seine Unterwäsche klebte ihm am Körper, eine Nachwirkung der animalischen Angst, die so plötzlich über ihn gekommen war.
Ambrogiani drehte sich um und und ging wieder auf den Weg zurück; entweder hatte er Brunettis Furcht gar nicht bemerkt, oder er war so taktvoll und tat wenigstens so. Brunetti strich sich noch ein paarmal über seinen Anzug, holte tief Luft und folgte Ambrogiani bis zu der Stelle, wo die Straße anstieg. Sie endete dort nicht, sondern machte eine scharfe Biegung und endete erst dann abrupt am Rand eines kleinen Steilabfalls. Zusammen traten die beiden Männer heran und blickten hinunter. Vor ihnen lag eine Fläche von der Größe eines halben Fußballplatzes, fast ganz mit wildem Wein bedeckt, der sie im Lauf des letzten Sommers leicht überwuchert haben konnte. Unmittelbar unter ihnen lagen vielleicht hundert Me-tallfässer, dazwischen große schwarze Plastiksäcke, Industrieformat und jeweils an einem Ende zugeschnürt. Irgendwann mußte hier ein Bulldozer am Werk gewesen sein, denn die weiter entfernt liegenden Fässer verschwanden fast unter der mit Weinlaub bewachsenen Erde, die über sie gehäuft war. Unmöglich zu sagen, wie weit die bedeckten Fässer reichten, hoffnungslos, sie zählen zu wollen.
Tja, wie’s aussieht, haben wir gefunden, wonach der Amerikaner gesucht hat , meinte Ambrogiani.
Ich nehme an, er hat das auch gefunden.
Ambrogiani nickte.
Sonst hätte man ihn nicht umbringen müssen. Was glaubst du, was er getan hat? Gamberetto direkt darauf angesprochen?
Ich weiß es nicht , antwortete Brunetti. Eine
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