Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Endstation

Endstation

Titel: Endstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
Vom Netzwerk:
Ordnung zu bringen. Das sagte er auch oft zu seinen Patienten: »Wir bringen Sie schon wieder in Ordnung.« Dabei wies er selbst eine ganze Reihe von Defekten auf: Er hinkte, er hatte vorzeitig eine Glatze, seine Augen waren schwach, und er mußte eine dicke Brille tragen. Er wirkte dadurch so verletzlich, daß man ihm seine Reizbarkeit verzieh.
    Vielleicht war diese Reizbarkeit aber auch auf die jahrelange Arbeit als Chirurg zurückzuführen. Morris konnte das nicht beurteilen, denn dafür war er selbst noch nicht lange genug Chirurg. Er sah aus dem Fenster, hinaus auf den sonnenbeschienenen Parkplatz. Die Besuchszeit am Nachmittag begann gerade. Verwandte trafen ein, stiegen auf dem Parkplatz aus, warfen einen Blick hinauf zu den hohen Fensterfronten des Krankenhauses. Ihren Gesichtern war die Beklommenheit deutlich anzumerken. Ein Krankenhaus verbreitet Furcht.
    Morris bemerkte, wie viele von diesen Leuten schon braungebrannt waren. Der Frühling in Los Angeles war warm und sonnig, doch er war immer noch so blaß wie der weiße Anzug, den er Tag für Tag trug. Ich muß öfer an die frische Luf, sagte er sich. Vielleicht sollte ich mir mittags mein Essen mit ins Freie nehmen. Natürlich spielte er Tennis, aber oft erst spät am Abend. Ellis kam zurück. » Scheiße «, sagte er. » Ethel hat sich den Faden herausgezogen.«
    »Wie ist denn das passiert?« Ethel war ein junger Rhesusaffe, an dem tags zuvor eine Gehirnoperation vorgenommen worden war. Die Operation war einwandfrei verlaufen. Und Ethel war für einen Rhesusaffen ungewöhnlich still und gelehrig.
    »Weiß ich nicht«, antwortete Ellis. »Anscheinend hat sie einen Arm freibekommen. Jetzt schreit sie, und seitlich ist der Knochen freigelegt.«
    »Hat sie sich die Drähte herausgerissen?«
    »Das weiß ich nicht. Aber ich muß hinunter und eine frische Naht legen. Können Sie das hier übernehmen?«
    »Ich denke schon.«
    »Kommen Sie mit der Polizei zurecht?« fragte Ellis. »Ich glaube nicht, daß man Ihnen Schwierigkeiten machen wird.«
    »Das glaube ich auch nicht.«
    »Bringen Sie nur Benson so schnell wie möglich hinauf nach Sieben«, sagte Ellis. »Dann rufen Sie Ross an. Ich komme nach, sobald ich kann.« Er sah wieder auf die Uhr. »Wenn sich Ethel anständig benimmt, wird das Nähen ungefähr vierzig Minuten dauern.«
    »Viel Glück«, sagte Morris lächelnd.
    Ellis machte ein mürrisches Gesicht und ging.
    Dann kam die Krankenschwester aus der Notaufnahme zurück. Sie fragte: »Was ist denn mit ihm los?«
    »Er ist nur nervös«, sagte Morris.
    »Ja, das merkt man«, murmelte die Schwester. Sie zögerte und sah aus dem Fenster.
    Morris beobachtete sie ebenso verständnisvoll wie amüsiert. Er war schon lange im Krankenhaus und hatte einen Blick für die subtilen Statussymbole. Er hatte als junger Krankenhausarzt ohne jeglichen Status begonnen. Die meisten Schwestern verstanden mehr von der klinischen Praxis als er, und wenn sie müde waren, gaben sie sich keine Mühe, es vor ihm zu verbergen. Im Laufe der Jahre wurde er Oberarzt in der chirurgischen Abteilung und spürte alsbald, daß ihm die Schwestern mit mehr Hochachtung begegneten. Als er dann zum Chefarzt avancierte, sah man seine Stellung so, daß ihn nur noch wenige der Schwestern beim Vornamen nannten. Schließlich wurde er in den Stab der Neuropsychiatrischen Forschungsabteilung versetzt, und man brachte ihm seitdem eine gewisse formelle Höflichkeit entgegen. Aber das hier war noch etwas anderes. Eine Krankenschwester hielt sich einfach deshalb in seiner Nähe auf, weil er eine besondere Wichtigkeit ausstrahlte. Alle im Krankenhaus wußten, was bevorstand.
    Die Schwester blickte immer noch zum Fenster hinaus. »Da kommt er«, sagte sie.
    Morris stand auf. Ein blauer Polizeiwagen rollte auf die Notaufnahme zu, wendete und wurde rückwärts zum Eingang gefahren.
    »Gut«, sagte er, »verständigen Sie den siebenten Stock und sagen Sie Bescheid, daß wir kommen.«
    »In Ordnung, Doktor.«
    Die Krankenschwester ging. Zwei Pfleger öffneten die Pendeltür. Sie wußten nichts von Benson. Einer fragte Morris: »Erwarten Sie diese Einlieferung?«
    »Ja.«
    »Notaufnahme?«
    »Nein, normale Überweisung.«
    Die beiden Pfleger nickten und traten beiseite. Der Polizeibeamte, der den Transportwagen gefahren hatte, stieg aus und öffnete die hintere Tür. Dort saßen zwei weitere Beamte, die vom plötzlichen Sonnenlicht geblendet wurden und blinzelten. Dann kam Benson zum Vorschein.
    Morris war

Weitere Kostenlose Bücher