Endstation
»Nur zur Sicherheit«, sagte er.
Benson sah zu Morris auf. »Die Leute sind sehr vorsichtig«, sagte er. »Das ist fast schmeichelhaft.«
Der Beamte kam wieder heraus. »Alles in Ordnung«, meldete er.
Morris schob Benson hinein. Es war ein großes Zimmer an der Südseite des Krankenhauses, und die Nachmittagssonne schien herein. Benson sah sich um und nickte anerkennend. »Eines der schönsten Zimmer im ganzen Krankenhaus«, sagte Morris.
»Darf ich jetzt aufstehen?«
»Selbstverständlich.«
Benson erhob sich aus dem Rollstuhl und setzte sich auf das Bett. Er probierte die Matratze aus. Dann drückte er auf die Knöpfe, die das Bett hoben und senkten, bückte sich und betrachtete den Mechanismus unter dem Bett. Morris zog inzwischen die Vorhänge zu, um das grelle Licht etwas zu dämpfen.
»Ganz simpel«, sagte Benson.
»Was?«
»Der Mechanismus hier. Bemerkenswert simpel. Sie sollten einen Rückkopplungsmechanismus einbauen, damit die Körperbewegungen des Patienten automatisch ausgeglichen werden.«
Er ging hin und her, öffnete Schranktüren, warf einen Blick ins Bad und kam wieder zurück. Er verhält sich gar nicht wie ein gewöhnlicher Patient, dachte Morris. Die meisten Patienten wirkten im Krankenhaus eingeschüchtert, aber Benson benahm sich so, als hätte er ein Hotelzimmer gemietet.
»Ich nehme das Zimmer«, sagte Benson und lachte. Er setzte sich wieder aufs Bett und sah erst Morris, dann die Polizeibeamten an. »Müssen die beiden hierbleiben?« »Ich denke, sie können draußen warten«, sagte Morris. Die beiden Beamten nickten, verließen das Zimmer und schlossen die Tür hinter sich.
»Ich meine nur - brauchen wir sie überhaupt?« fragte Benson.
»Ja.«
»Immer?«
»Ja. Es sei denn, die Anklage gegen Sie wird fallengelassen.«
Benson runzelte die Stirn. »War es … ich meine, habe ich … War’s sehr schlimm?«
»Sie haben ihm das Auge blau geschlagen und eine Rippe gebrochen.«
»Er ist doch wieder in Ordnung?«
»Ja.«
»Ich erinnere mich an nichts mehr«, erklärte Benson.
»Der ganze Speicher ist gelöscht.« »Ich weiß.«
»Aber ich bin froh, daß es ihm wieder gut geht.«
Morris nickte. »Haben Sie etwas mitgebracht? Einen Pyjama vielleicht?«
»Nein«, antwortete Benson. »Aber ich kann mir meine Sachen schicken lassen.«
»Gut. Bis dahin besorge ich Ihnen Krankenhauskleidung. Ist vorläufig alles in Ordnung?«
»Natürlich.« Er verzog das Gesicht. »Ein Schlückchen könnte vielleicht nicht schaden.«
Morris grinste zurück. »Das werden Sie sich abgewöhnen müssen.«
Benson seufzte.
Morris verließ das Zimmer.
Die Polizisten hatten sich einen Stuhl mitgebracht. Einer saß darauf, der andere stand daneben. Morris klappte sein Notizbuch auf.
»Sie wollen sicher wissen, wie’s weitergeht«, sagte er.
»Innerhalb der nächsten halben Stunde kommt jemand aus der Verwaltung, weil Benson die Kostenübernahmeerklärung unterschreiben muß. Um halb vier wird er dann hinunter in den Vorlesungssaal zur chirurgischen Visite gebracht. Nach etwa zwanzig Minuten kommt er zurück. Heute abend wird sein Kopf rasiert. Die Operation ist für morgen früh sechs Uhr festgesetzt. Haben Sie noch Fragen?«
»Kann uns jemand etwas zu essen besorgen?« fragte einer von ihnen.
»Ich werde der Stationsschwester Bescheid sagen. Zwei Personen oder nur eine?«
»Eine. Wir wechseln uns alle acht Stunden ab.«
»Ich sage Bescheid«, versprach Morris. »Sie sollten sich bei der diensthabenden Schwester an-und abmelden. Sie weiß immer gern, wer sich in ihrer Etage aufhält.«
Die beiden nickten. Nach kurzem Schweigen fragte einer von ihnen: »Was fehlt ihm denn überhaupt?«
»Er leidet unter einer Art Epilepsie.«
»Ich habe den Mann gesehen, den er zusammengeschlagen hat. Ein Kleiderschrank von einem Kerl. Ich hätte nie geglaubt, daß so einer ihn schafft.« Er machte eine Kopfbewegung zur Zimmertür hin.
»Wenn er einen epileptischen Anfall hat, wird er gewalttätig.«
Die beiden nickten. »Und jetzt wird er operiert?«
»Ja. Es handelt sich um eine Gehirnoperation, die wir ›Stufe drei‹ nennen«, sagte Morris. Weitere Erklärungen sparte er sich. Die Polizisten hätten ihn doch nicht verstanden. Und wenn ihn jemand verstanden hätte, dachte er, so würde er ihm vermutlich nicht glauben.
2
Die große neurochirurgische Visite, bei der ungewöhnliche Fälle vorgestellt und von allen Ärzten des Krankenhauses besprochen wurden, fand üblicherweise am Donnerstag um neun
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