Endstation
wieder einmal von seinem Äußeren betroffen. Benson war ein sanfter, rundlicher Mann von vierunddreißig Jahren, der stets einen etwas verwirrten Eindruck machte. Er blieb neben dem Wagen stehen, die Arme mit Handschellen aneinandergefesselt, und sah sich um. Als er Morris erblickte, sagte er: »Hallo.« Dann wandte er verlegen den Blick ab.
»Sind Sie verantwortlich?« fragte einer der Beamten.
»Ja, ich bin Doktor Morris.«
Der Beamte machte eine Bewegung mit dem Daumen.
»Dann gehen Sie voraus, Doktor.«
»Würden Sie ihm bitte die Handschellen abnehmen.«
Benson warf Morris einen Blick zu, dann sah er auf seine Hände herab.
»Wir haben diesbezüglich keine Anweisungen bekommen.«
Die beiden Polizeibeamten tauschten einen raschen Blick. »Aber es ist wohl nichts dagegen einzuwenden.«
Während sie ihm die Handschellen abnahmen, hielt der Fahrer dem Arzt eine Tafel mit einem Formular hin.
»Überweisung eines Verdächtigen in ärztliche Behandlung.«
Morris unterschrieb.
»Hier noch einmal«, sagte der Fahrer.
Morris leistete die zweite Unterschrift, dann sah er Benson an. Er stand ruhig da, rieb sich die Handgelenke und sah geradeaus. Die Sache mit Formular und Unterschrift spielte sich so nüchtern und unpersönlich ab wie bei der Auslieferung eines Einschreibepäckchens. Ob Benson sich vielleicht selbst wie ein Paket vorkommt?, überlegte Morris.
»Alles klar«, sagte der Fahrer. »Danke, Doktor.«
Morris führte die beiden Polizeibeamten und Benson ins Krankenhaus. Die Pfleger schlossen die Türen. Eine Schwester brachte einen Rollstuhl herbei. Benson setzte sich. Die beiden Beamten wirkten befremdet.
»Das ist bei uns im Krankenhaus immer so«, erklärte Morris.
Sie gingen gemeinsam zu den Lifts.
In der Halle wartete ein halbes Dutzend Besucher bei den Lifts, aber sie zögerten, als sie Morris, Benson im Rollstuhl und die beiden Uniformierten sahen. »Bitte nehmen Sie die nächste Kabine«, sagte Morris zu ihnen. Die Tür glitt zu. Die Kabine schwebte nach oben.
»Wo ist Doktor Ellis?« fragte Benson. »Er wollte eigentlich hier sein.«
»Er ist drüben im OP, aber er kommt gleich.«
»Und Doktor Ross?«
»Frau Doktor Ross kommt nachher zur Vorstellung.«
»Ach so.« Benson lächelte. »Die Vorstellung.«
Die Beamten wechselten einen mißtrauischen Blick, sagten aber nichts. Im siebenten Stock stiegen alle aus.
Im siebenten Stock lag die Sonderchirurgie, in der schwierige Fälle behandelt wurden. Eigentlich war es mehr eine Forschungsabteilung. Hier wurden die schwersten Fälle von Herz-, Nieren-und Kreislaufkranken behandelt. Sie gingen erst in das Stationszimmer, einen mit Glas abgetrennten Raum im Mittelpunkt der X-förmigen Anlage.
Die Schwester vom Dienst hob den Kopf. Der Anblick der beiden Uniformierten überraschte sie, aber sie machte keine Bemerkung darüber.
Morris sagte: »Das ist Mister Benson. Haben wir Siebenhundertzehn fertig?«
»Alles vorbereitet«, sagte die Schwester und lächelte Benson aufmunternd an. Benson antwortete mit einem unsicheren Lächeln und sah dann hinüber zu dem Computerpult in der Ecke des Dienstraumes.
»Sie haben hier oben auch einen Anschluß?«
»Ja«, sagte Morris.
»Und wo ist der Hauptcomputer?«
»Im Keller.«
»Hier in diesem Gebäude?«
»Ja. Er braucht eine Menge Strom, und die Anschlüsse führen direkt in dieses Gebäude.«
Benson nickte. Morris konnten diese Fragen nicht überraschen. Benson war bemüht, sich von den Gedanken an die Operation abzulenken, und schließlich war er ja Computerfachmann.
Die Schwester überreichte Morris die Krankenkarte. Sie steckte in der üblichen blauen Plastikhülle mit dem Siegel des Universitätskrankenhauses. Aber diese Mappe hatte drei Anhänger: einen roten, der Neurochirurgie bedeutete, einen gelben für Intensivstation, und einen weißen, den Morris an einer Krankenkarte fast noch nie gesehen hatte. Dieser weiße Anhänger bedeutete Sicherheitsvorkehrungen.
»Ist das meine Krankengeschichte?« fragte Benson, während Morris ihn den Flur entlang zum Zimmer 710 schob. Die beiden Polizeibeamten folgten ihnen.
»Ja.«
»Ich wollte schon immer gern wissen, was drinsteht.«
»Hauptsächlich unleserliche Symbole.« In Wirklichkeit war Bensons Krankengeschichte umfangreich und durchaus lesbar. Sie enthielt die Computerergebnisse der verschiedenen Tests.
Sie erreichten die Tür mit der Nummer 710. Bevor sie eintraten, ging ein Polizeibeamter hinein. Der zweite blieb an der Tür stehen.
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