Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches
Miene eines erfahrenen Weinkenners. Erst dann las er den Text.
Blake gab schon fast die Hoffnung auf, dass die Bücher je bis zu ihm durchkommen würden, da warf ihm Sir Giles ein Paar Handschuhe in den Schoß. »Zieh die an, falls du unbedingt etwas anfassen musst«, grummelte er mit finster gerunzelten Brauen. »Kinder und Bücher, das verträgt sich nicht.«
Als Blake protestieren wollte, flüsterte ihm Diana ins Ohr, dass die Handschuhe nur den Zweck hätten, die Bücher vor der Säure der Haut zu schützen.
»Schau, ich benutze sie selber«, sagte sie lächelnd. Da schob er gehorsam seine Hände in die langen, schlangenähnlichen Röhren. Es war ein ungewohntes Gefühl - als trüge jeder Finger eine Augenbinde.
Doch dann, als die Bücher endlich bei ihm angelangt waren, war er froh, die Handschuhe anzuhaben. Wenn sie auch als Schätze galten, so quollen doch aus den meisten Büchern feine Staubwolken heraus, die Blake zum Niesen reizten. Seltene Ausgaben wanderten vorbei, Die tragische Geschichte des Dr. Faust, Das verlorene Paradies und Der Lockenraub — Lawinen von Wörtern und bedrohlich anmutende Illustrationen verschwammen vor seinen Augen. Duck linste neidvoll über seine Schulter. Sir Giles hatte ihr verboten, etwas anzufassen.
Diana reichte Blake ein schmales, grüngolden marmoriertes Bändchen. »Ein Exemplar von Markt Goblin «, erklärte sie. »Die Kobolde sehen hier niedlich und harmlos aus, aber sie sind nicht so. Sie haben Krallen und spitze Zähne ...«
Gespannt schlug Blake das Buch auf, da sahen ihm Wesen mit Katzengesichtern und Vogelschnäbeln entgegen, mit Fell wie von Wieseln und gekleidet mit großen Hüten und langen Mänteln. Sie lächelten, knurrten und versuchten mit unterwürfigen Gesten, zwei junge Mädchen zum Probieren ihrer Früchte zu verleiten. »Kommt kauft, kommt kauft«, sangen sie im Chor, und ihr Lockruf, der wie eine Spur aus Brotkrümeln durch das ganze Buch führte, zog ihn immer tiefer in die Geschichte.
»Es ist ganz ungefährlich«, schnurrte Diana. »Und sollte einem doch ein bisschen unheimlich werden, kann man das Buch einfach zuklappen und die Gefahr verschwindet. Das ist ja das Wunderbare an Büchern.«
Da war sich Blake nicht so sicher. Manche Bücher verfolgten einen noch lange, nachdem man sie gelesen hatte, und setzten sich in den hintersten Winkeln der Erinnerung fest. Aber er wollte Diana Bentley beeindrucken. Er spürte, dass sie genauso an die Macht von Büchern glaubte wie er. Sie las sie mit den Augen eines Kindes. Mit der Magie eines Kindes.
Er wurde von Sir Giles in seinen Überlegungen unterbrochen. »Was ist denn das?«, blaffte er. »Noch ein anderes Buch? Das gehört nicht zu meiner Sammlung.« Er hob einen roten, mit Tintenflecken bespritzten Band in die Höhe.
Ein Stuhl wurde zurückgeschoben, und Paula Richards stand auf.
»Ich habe mir erlaubt, eines der besonders interessanten Bücher aus dem Bestand von St.Jerome's mitzubringen«, wandte sie sich an alle Anwesenden. »Es ist ein wahrer Glücksfall - eine ungewöhnliche Ausgabe von Markt Goblin.«
»Ja. Und ein schönes Beispiel für das Verlagswesen des späten neunzehnten Jahrhunderts sowie für ...«, fing Sir Giles an, während er bereits in dem Buch blätterte und kennerhaft seinen Wert schätzte.
»Ich hatte fast vergessen, dass wir es besitzen«, fuhr Paula Richards mit etwas erhobener Stimme fort und unterbrach den herrischen Mann mitten im Satz. »Erst eine beiläufige Bemerkung Ihrerseits erinnerte mich gestern daran. Aber ich bin beeindruckt, Sir Giles. Es scheint, dass Sie über den Bestand unserer Bibliothek bestens informiert sind.«
In ihrem Ton lag keine Boshaftigkeit, aber Blake kam plötzlich der Gedanke, dass sie Sir Giles insgeheim etwas vorwarf. War er es etwa, der neulich nachts in die Bibliothek eingedrungen war und Bücher beschädigt hatte? War er der Bücherschänder?
Der Mann sah sie ungerührt an, sagte aber nichts.
»Unsere Sammlung muss von besonderer Bedeutung für Sie sein, Sir Giles, wenn Sie so gründlich damit vertraut sind.«
»Selbstverständlich. Ich interessiere mich für alle Bibliotheken in Oxford«, rechtfertigte er sich.
Paula Richards vertiefte ihr Lächeln ein wenig. »Ja, aber das hier ist ein ganz besonders seltenes Buch. Christina Rossettis persönliches Exemplar von Markt Goblin. Auf ihre ausdrückliche Bitte hin hat ihr Verleger dieses eine Exemplar in rotes Leder binden lassen - braunrot, wie Sie es nennen - während alle
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