Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches
denkwürdigen Anlass«, wandte er sich in förmlichem Ton an die Mitglieder, »dem vierzigsten Jahrestag der Gründung der Libris Gesellschaft.« Höflicher Applaus. »In der Tat, es war ein ähnlicher Abend wie der heutige, als sich kurz vor dem Michaelistag einige von uns in einer College-Bibliothek zusammenfanden. Wir haben es uns damals zum Ziel gesetzt, besonders schwer greifbare Bücher aufzuspüren ...«
Blake zitterte vor gespannter Erwartung. Er hatte das Gefühl, als habe er eine Zeitreise in die Vergangenheit begonnen und verfolge auf seiner geheimen Schatzsuche das gleiche Ziel wie diese Leute damals. Zum Glück hatte sich Endymion Spring im Rucksack beruhigt und verhielt sich unauffällig.
».. .eine Suche, die sich bis heute fortsetzt. Ich sehe, wir haben neue Mitglieder gewonnen«, fuhr er fort und bedachte die Kinder mit einem frostigen Blick, »gleichzeitig bedaure ich jedoch sehr, dass nicht alle unserer Gründungsmitglieder erscheinen konnten.«
Ein feines Lächeln spielte um seinen Mund, und Blake spürte, dass in seinen Worten eine hintersinnige, eher boshafte Anspielung lag.
In diesem Augenblick platzte Jolyon in den Raum. »Es tut mir Leid, dass ich zu spät komme«, erklärte er. »Aber ich wurde unerwartet aufgehalten, ich habe eben ein altes Mitglied getroffen. Jemanden, Giles, der übrigens grüßen lässt.«
Sir Giles warf ihm einen feindseligen Blick zu. Seine zusammengezogenen Augenbrauen verfinsterten das ganze Gesicht.
Aber der Professor beachtete ihn nicht weiter, sondern nickte Blake zu. Unwillkürlich wurde der Junge rot und drehte sich schnell weg. Er drückte die Beine an den Rucksack neben seinem Stuhl. Unter so vielen Experten für seltene Bücher kam er sich vor wie auf dem Präsentierteller.
Sir Giles wartete, bis Jolyon Platz genommen hatte.
»Ich möchte Sie also nochmals herzlich begrüßen«, wiederholte er, als der umständliche Professor einen Stuhl neben Paula Richards ein paar Reihen weiter hinten gefunden hatte. »Darf ich bei dieser Gelegenheit alle Anwesenden erinnern, sich in das Gästebuch einzutragen, das Mr Fox-Smith neben der Tür bereitlegt. Viele von Ihnen werden wissen, dass wir dieses Buch seit der Gründung vor vierzig Jahren führen. Es soll uns also eine Ehre sein, mit dem heutigen Eintrag Ihrer Namen den Erfolg und die Erweiterung unserer Gesellschaft zu dokumentieren, die sich der Erhaltung des gedruckten Wortes verpflichtet hat.«
Blake reckte den Hals, um zu sehen, was Sir Giles meinte. Ein junger Mann in einem Nadelstreifenanzug hielt ein dickes, mit Lesebändern gespicktes Buch hoch und platzierte es dann auf einem Pult neben der Tür.
Blake gab Duck einen kleinen Stoß. »Dieses Buch müssen wir unbedingt anschauen«, flüsterte er. »Vielleicht steht da der ...«
»Schscht!«, zischte eine Frau hinter ihnen.
Sir Giles begann seinen Vortrag. »Und nun«, sagte er und klopfte auf einen Stapel Notizen auf dem Rednerpult, »ohne weitere Umschweife zu dem Grund, weshalb Sie hier sind. Mein Vortrag Tödliche Vorlieben - Erstausgaben und verbotene Früchte ...«
Während Sir Giles sich lang und breit über die Geschichte des Büchersammelns ausließ und von Menschen sprach, für die seltene Bücher ein Objekt der Begierde waren, von solchen, die auf der Suche nach verbotenen Büchern sogar in Bibliotheken eingebrochen waren, rutschte Blake ungeduldig auf seinem Stuhl hin und her. Die Mitglieder der Gesellschaft lauschten ehrfürchtig und mit gesenkten Köpfen, ab und zu hüstelte jemand, aber Blake drängte es, einen Blick in das Buch neben der Tür zu werfen. Hier würde er vielleicht endlich den Namen der Person erfahren, die vor Jahren Endymion Spring gefunden hatte - und den der Person, die im Schatten lauerte und die das Buch unbedingt an sich bringen wollte.
Er sah kurz über die Schulter, und als er bemerkte, dass Jolyon ihn beobachtete, wurde er rot und drehte sich schnell um.
Endlich klatschte Sir Giles in die Hände und verkündete: »Und nun betrachten Sie einige meiner persönlichen Schätze!«
Seine Bücher gingen von Hand zu Hand, und bewundernde Rufe wurden laut, während sich die Wissenschaftler in die gedruckten Welten vertieften, die ihnen so vertraut waren. Aus beifälligem Gemurmel wurde lautstarke Begeisterung. Erstaunlicherweise betrachtete auch Prosper Marchand die Bücher mit großer Hingabe: Er fuhr liebevoll über Einbände, strich über die Seiten, hielt das Papier sogar ans Licht und begutachtete es mit der
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