Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches
anderen blau sind. Ich muss Ihnen gratulieren. Dieses Buch ist einzigartig. Nicht viele Menschen wissen von seiner Existenz, Sie aber wussten sofort Bescheid.«
Blake rührte sich nicht. Sie hätte genauso gut von Endymion Spring sprechen können, dachte er und war erleichtert, dass nur von einem Kinderbuch die Rede war. Trotzdem überraschte es ihn, als Paula Richards ein verstohlenes Lächeln in Jolyons Richtung warf, als hätte dieser schon vorher von ihrer kleinen Spitze gegen Sir Giles gewusst und sie darin unterstützt. Ganz offensichtlich ging zwischen den beiden etwas vor sich, das Blake nicht verstand. Er fragte sich unwillkürlich, ob nicht Christina Rossettis Buch nur ein Vorwand war. Konnte es sein, dass Sir Giles genau wie Jolyon von Endymion Springs Buch wusste?
»Vielen Dank für das Kompliment«, sagte Sir Giles und neigte liebenswürdig den Kopf. In seinen Augen aber funkelte Zorn, und seine Stirn war noch röter geworden.
Er sah kurz auf die Uhr, eine Geste, die von vielen im Raum wiederholt wurde. »Ich glaube, ich habe lange genug gesprochen, aber ich bin gern bereit, noch Fragen zu beantworten oder Bücher zu schätzen. Hiermit beschließe ich die Versammlung.«
Es wurde kurz applaudiert, dann begaben sich alle in den rückwärtigen Teil des Raumes, um den restlichen Wein zu genießen.
Es war schon neun Uhr vorbei. Duck und Blake hatten nur noch wenige kostbare Minuten, um einen Blick in das Gästebuch zu werfen, dann mussten sie ihre Mutter an der Bibliothek abholen. Kaum war der offizielle Teil beendet, sprangen sie auf wie zwei Gummibälle und bahnten sich einen Weg durch die Menge der Erwachsenen.
Sie warteten ungeduldig, bis noch ein paar ältere Mitglieder der Gesellschaft ihre krakeligen Unterschriften auf die Seite gesetzt hatten, dann griffen sie nach dem Buch. Blake blätterte die Seiten zurück, und Reihen von Unterschriften zogen an seinen Augen vorbei.
Plötzlich griff eine Hand nach seiner Schulter. »Ihr sollt auf der Seite mit dem heutigen Datum unterschreiben und nicht in der Vergangenheit herumschnüffeln«, sagte eine bekannte Stimme.
Blake fuhr herum. Lächelnd stand Prosper Marchand hinter ihm. Der Professor nahm ihm das Gästebuch aus der Hand und schlug die mit einem Leseband gekennzeichnete Seite auf. Dann nahm er den teuren, zigarrendicken Füllfederhalter, der auf einem Tisch lag, und unterschrieb. Nachdem er seine eigenwillig verschnörkelte Unterschrift hinterlassen hatte, gab er Blake den Füller und sah zu, wie die beiden Kinder sorgfältig ihre Namen unter den seinen schrieben.
»So, jetzt sind eure Namen für die Nachwelt dokumentiert«, sagte er und beugte sich so weit vor, dass Blake der frische Geruch von Aftershave in die Nase wehte. »Genau wie die der unglückseligen Schufte, die am Anfang stehen.«
Zu Blakes Staunen blätterte der Professor zur ersten Seite vor, wo über einer Spalte verblasster Unterschriften ein Schwarzweißfoto klebte. Er konnte das grobkörnige Bild nur ein paar Sekunden lang sehen, aber er fing die Gesichter und Namen ein wie eine Kamera. Ein Teil des Rätsels war gelöst.
»Grüße an Mum«, flüsterte Prosper Marchand anzüglich wie ein frecher Schuljunge, dann ging er mit einem amüsierten Lächeln zu den anderen Mitgliedern der Ex Libris Gesellschaft zurück.
Blake drehte sich verblüfft zu Duck um. Auf dem Foto war eine Gruppe junger Studenten gewesen, die in altertümlicher Kleidung vor einer Bücherwand standen. Es konnte in jeder Oxforder Bibliothek aufgenommen sein. Die meisten schauten starr in die Kamera, die Gesichter von der Zeit verblichen, die Frisuren lächerlich veraltet - aber vier Gestalten hatten sofort seine Aufmerksamkeit gefesselt.
Über die Köpfe der anderen Studenten ragte Jolyon heraus, ein Riese von einem Mann mit einem ungebändigten lockigen Haarschopf und einem auch damals schon abgetragenen Anzug. Ein attraktives Mädchen mit glattem dunklen Haar hatte sich kokett lächelnd bei ihm eingehängt. Hinter diesen beiden, in eine teure Smokingjacke gekleidet und mit dem Anflug eines Schnurrbarts auf der Oberlippe, stand steif und unnahbar ein Mann, der Sir Giles glich. In der oberen rechten Ecke aber, fast ganz am Rand, stand jemand, der mit seinem schüchternen Gesichtsausdruck, dem dichten Haargestrüpp und dem schäbigen Mantel sofort wiederzuerkennen war.
Psalmanazar. Das verschollene Mitglied der Libris Gesellschaft.
Einundzwanzig
uf dem Weg zur Bodleian Library schüttelte
Weitere Kostenlose Bücher