Endzeit
reiner. Ihm wurde klar, wozu das Öl im Inneren des Aufbahrungsraumes brannte: De Verwesung mußte bereits eingesetzt haben, und so wurde der Gestank überdeckt. Der Gedanke ver -stärkte das flaue Gefühl in seinem Magen.
Er folgte Mentuhotep in die zweite Kammer und registrierte, daß Antef diesmal nicht am Eingang zurückblieb, sondern neben ihn trat.
Der zweite Raum war wesentlich größer als der erste, und in ihm standen auch weitere Personen um eine einzelne Bahre herum. Ra-hotep erkannte unter den gespenstisch beleuchteten Gesichtern Sethos, den Mumienmeister. Die anderen waren seine Helfer. In jeder Ecke des Raumes standen außerdem mehrere Soldaten. Mentuhotep trat zur Seite und gab dem Wesir den Blick frei auf die Bahre.
Rahoteps Augen wurden groß.
Der Leib Ramses' XII. lag dort vor ihm, sein schmächtiger nackter Körper von Stricken gefesselt und auf die Bahre gebunden. Ein überraschtes Keuchen entfuhr Rahoteps Mund, als der vermeintliche Tote den Kopf bewegte und ihm das Gesicht zuwandte.
Das Folgende bekam Rahotep kaum mit, so schnell ging es.
Als er an die Bahre treten und sich vor seinem König verbeugen wollte, griffen starke Hände von hinten nach seinen Armen und rissen ihn zurück. Aufgeregte Stimmen hallten von den Wänden wider. Nur aus den Augenwinkeln bekam er mit, wie die Wachen nach vorn stürzten. Gleichzeitig fuhr der umsponnene Körper des Königs hoch und wand sich in seinen Fesseln. Scharfe Kiefer schlugen auf-einander, wo eben noch das Gesicht des Wesirs gewesen war.
Rahotep wurde zu Boden gerissen, und er registrierte beschämt, daß er auf Antef lag. Ein Gelächter erfüllte den Raum, wie er es noch nie zuvor gehört hatte.
Die Soldaten standen um die Bahre herum und drückten mit gezogenen Schwertern den heftig zitternden Leib des lachenden Pharaos zurück auf die Bahre, während die Helfer des Mumienmeisters die Fesseln enger zogen.
Mentuhotep reichte dem Wesir eine Hand und half ihm auf die zitternden Beine. Antef richtete sich ebenfalls wieder auf. Die aufgeregten Stimmen legten sich wieder, bis nur noch das Gelächter den Raum erfüllte.
»Was ... was ist mit ihm?« Rahoteps Stimme klang verunsichert.
Antef trat neben die Bahre, und der Wesir bemerkte nebenbei, daß der Hohepriester immer noch seine Sandalen trug - in Gegenwart des Königs eine unverzeihliche Respektlosigkeit. In dieser Situation vergaß er jedoch, dagegen zu protestieren.
Als Antef dem sich immer noch windenden Leib des Königs ein Henkelkreuz, das Symbol für Leben, auf die Stirn legte, spannte sich der gefesselte Körper an, und aus dem Gelächter wurde ein langgezogener, qualvoller Schrei.
Rahotep wollte wieder vortreten, doch diesmal packte ihn der zweite Hohepriester von hinten an der Schulter und hielt ihn kopfschüttelnd zurück.
»Was tut ihr mit ihm?« fragte der Wesir.
Als Antef seine Hand mit dem Henkelkreuz zurücknahm, erschlaffte der Leib auf der Bahre und blieb regungslos liegen. Die Soldaten traten wieder zurück und machten dem Mumienmeister und seinen Männern Platz.
»Vor drei Tagen ist die Königsfamilie ermordet worden.« Mentu-hoteps Stimme klang unbewegt und monoton. »Es war Nacht, und die Schreie aus den königlichen Gemächern hallten durch den gan-zen Palast. Als die Wachen in die Schlafgemächer stürmten, um Ne-fertari und ihren Söhnen zu Hilfe zu eilen, kamen sie schon zu spät. Die beiden Kinder lagen in ihrem eigenen Blut. Nefertari lebte noch, als die Wachen eintrafen. Und sie sahen ihn«, der Hohepriester nickte in Richtung der Bahre, »über sie gebeugt und seine Lippen noch an ihrem Hals.«
Rahotep blickte auf das Gesicht des jungen Königs und erschauerte, als das Wesen seinen Blick erwiderte. Er glaubte, in diesen Augen nichts wiedererkennen zu können. Das war nicht mehr Ramses. Dort lag . etwas anderes.
»Er soff das Blut, das ihrer Wunde entrann. Und mit dem Blut nahm er ihr das Leben. Als ihn die Wachen ergriffen, starb auch sie. Die Heiler konnten nichts mehr für sie tun.«
»Was ist mit ihm?«
Antef übernahm das Wort: »In alten Schriften wird von solchen Wesen berichtet. Von Dämonen, die als Schatten bei Nacht die Schlafenden überfallen und ihnen schreckliche Wunden zufügen, aus denen sie dann das Blut ihrer Opfer saufen.« Der Hohepriester lächelte dem Wesir zu. »Ihr seht, wir sind tatsächlich keine Königsmörder.«
»Und wir werden es auch in Zukunft nicht sein.« Mentuhoteps Worte ließen den Wesir wiederum rätseln.
»Was meint
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