Endzeit
nicht sehr viel besser aus.
»Du mußt es versuchen!« drängte Nona. »Ich bin sicher, du schaffst es.«
»Kommt heraus!« rief einer der Outlaws. »Wir haben euch gesehen und wissen, daß ihr da drin seid!«
Nona grub ihre Fingernägel in Kierszans Fleisch. Er jedoch spürte es nicht mehr. Er hatte die Augen geschlossen. Sein Atem war kaum mehr wahrzunehmen. Befand er sich bereits in der Trance, von der er ihr erzählt hatte? War sein Bewußtsein schon auf anderen Pfaden unterwegs?
Plötzlich merkte Nona, wie sich die Welt um sie veränderte. Die Aufzugtür verschwamm vor ihren Augen. Für einen Augenblick konnte sie die Dachterrasse und die Männer sehen - und weit dahinter ragte Anums düstere Festung hoch in den Himmel.
Im nächsten Moment löste sich alles Materielle auf, zerfloß zu einem kaleidoskopischen Farbspektrum, das sie an einen Drogenrausch erinnerte.
Aber es war weit faszinierender. Ihr Geist löste sich von ihrem Körper. Sie konnte ihn als fluoreszierendes Etwas auf dem Sims stehen sehen.
Eine zweite Präsenz war neben ihr. Kierszan! Er bestand ganz aus hellem, pulsierenden Licht. Sie sandte ihre Gedanken aus.
Ich vertraue dir. Du schaffst es!
Im nächsten Augenblick prallte sie zurück, als ein plötzlicher Schmerz sie überflutete.
Er hatte sie gewarnt! Würde nun das gleiche Schicksal, das Rudnik ereilt hatte, auch sie töten?
Doch dann, mit der Klarheit ihres freischwebenden Bewußtseins, erkannte sie, was wirklich geschehen war: Ihr Geist hatte sich vollends aus ihrem Körper gelöst und schwebte zusammen mit Kierszan hinab, zum Grund des Aufzugschachtes. Es war ein zugleich erhebendes wie erschreckendes Gefühl.
Schließlich, nach einer nicht meßbaren Zeitspanne, stellte sie - fast mit Bedauern - fest, daß ihr Bewußtsein sich wieder mit ihrem Körper vereinigte. Diesmal geschah es völlig schmerzlos.
Sie schlug die Augen auf und sah Kierszan an. Sie befanden sich beide auf der Kabine des Fahrstuhls. Weit über ihnen drang Licht in den Schacht, wo die Outlaws soeben die Türen auseinander schoben.
»Du hast es geschafft!« Sie fiel Kierszan um den Hals und spürte die Erleichterung, die er empfand.
Er schob sie sanft von sich. »Wir sollten zusehen, daß wir von hier verschwinden. Jetzt werden sie uns erst recht erwischen wollen.«
Sie öffneten den oberen Einstieg in den Lift und schoben die Aufzugtüren auseinander. Sie befanden sich im Erdgeschoß. Vor ihnen lag das Eingangsportal. Die Outlaws schienen niemanden als Wachtposten zurückgelassen zu haben.
Auch draußen war die Luft rein. Nach einer Viertelstunde hatten sie Kierszans sicheren Kellerunterschlupf erreicht.
»Jetzt haben wir eine reelle Chance gegen Anum!« stellte Nona fest.
Kierszan sah sie fragend an.
»Deine Kräfte sind unsere Eintrittskarte in seine Festung!« präzisierte Nona. »Wir werden sie zwar nicht stürmen können, uns aber zumindest dort umsehen. Vielleicht kommen wir mit der guten Nachricht wieder heraus, daß Landru noch lebt.«
»Du kennst ihn also?« fragte Kierszan. Er klang wenig begeistert.
Nona verzichtete darauf, ihm zu sagen, wie gut sie Landru kannte - daß sie beide ein Paar waren seit Jahrhunderten.
»Er ist der einzige, der Anums Macht brechen könnte«, sagte sie statt dessen. »Wenn wir ihn befreien, wird er die Armeen gegen Anum anführen!«
Kierszans Blick war voller Zweifel. »Ich weiß nicht, ob ich der bin, den du in mir siehst, Nona. Als Weltverbesserer tauge ich nichts. Alles, was ich will, ist überleben. Von Vollmond zu Vollmond.«
Nona nahm ihn bei den Schultern und schüttelte ihn. Dabei fixierte sie seinen Blick.
»Chiyoda hat dich nicht umsonst erwählt«, sagte sie eindringlich. »Ohne ihn wärst du noch immer im Gefängnis oder längst tot!«
»Gib mir Zeit zum Nachdenken, Nona«, bat Kierszan. »Ich glaube zwar, daß wir jetzt quitt sind, aber ich möchte dich nicht so schnell wieder verlieren.«
»Ich dich auch nicht«, sagte Nona. Und fügte in Gedanken hinzu:
Bis ich Landru befreit habe
*
In dieser Nacht weckte er sie.
»Ich habe es mir überlegt«, sagte er. »Ich werde dir deinen Wunsch erfüllen. Ich hoffe nur, du weißt, in welche Gefahr du uns damit bringst.«
Nona drückte sich dankbar an ihn.
»Ich habe keine Angst«, ermunterte sie ihn. »Alles ist besser, als hier wie streunende Hunde dahinzuvegetieren. Wir müssen doch wenigstens versuchen, Anums Schreckensherrschaft zu beenden! Siehst du das nicht auch so?«
»Ich würde es -
Weitere Kostenlose Bücher