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Endzeit

Endzeit

Titel: Endzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Jensen
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die ›Dinge‹ erzählen, die dir auffallen?«
    Sie lächelt. »Brennende Meere. Feuerwände. Küsten, die davongeschwemmt werden. Gletscher, die wie Butter in der Mikrowelle schmelzen. Kennen Sie Grönland? Hat sich praktisch
aufgelöst
. Wie eine Riesen-Aspirintablette. Verlassene Städte voller Menschenknochen, in denen Eidechsen und Kojoten herrschen. Und überall Bäume und Haie und Krokodile im Untergrund. Das versunkene Atlantis.« Sind es Visionen, die durch Medikamente hervorgerufen wurden? Tagträume? Oder Metaphern?
    »Die Welt, die du da beschreibst, klingt gefährlich. Gefährlich, chaotisch und lebensfeindlich. Viele Leute fürchten sich vor einer Klimakatastrophe. Die Angst ist nicht unbegründet.«
    Wenn nicht bald etwas geschieht, so die jüngsten Prognosen, kommt es zu Bethanys Lebzeiten zum Schmelzen der Polkappen und einem weltweiten Temperaturanstieg von bis zu sechs Grad. Ich sollte froh sein, dass ich keine Kinder habe. So wie der Kalte Krieg in den Phantasien älterer Psychiatrie-Patienten eine wichtige Rolle spielt, ist bei den Jüngeren eine Paranoia bezüglich der Klima-Apokalypse weit verbreitet. Das ist der Zeitgeist: die Banalität des Abnormen. Sie wurzelt in Tatsachen, die derart erschreckend sind, dass wir uns höflich abwenden. Ich würde Bethany gern auf das Thema Selbstmord bringen, das meine Hauptsorge ist. Wenn sie unter meiner Aufsicht stirbt, werden Fragen aufkommen, die sich bei meinem ersten Job nach dem Unfall nicht gut machen. Wie wahrscheinlich ist eine Wiederholung? Sie hat |32| vier Versuche hinter sich und gilt als regelmäßige Selbstverletzerin. In den Unterlagen wird sie außerdem als gut informiert, manipulativ und anfällig für dramatische Stimmungsschwankungen beschrieben sowie für psychotische Phantasien, religiöse Ergüsse und plötzliche, extreme Gewaltausbrüche. Wieder sehe ich vor meinem inneren Auge die Polizeifotos. Achtundvierzig Stichwunden. Der Schraubenzieher in Karen Kralls Auge. Die Haut auf der Blutlache, wie antikes Siegelwachs. Der Blitz der Kamera, für immer darin gefangen wie ein fossiler Stern.
    »Die Welt ist nun mal gefährlich. Und wir leben mittendrin. Es gibt keinen Ausweg, Roller.« Sie lacht freudlos. »All diese Leute da draußen.
Anständige, fleißige Leute, die keinem was Böses getan haben
«, sagt sie mit einer dümmlichen Zeichentrickstimme. »Sie werden eines grausamen Todes sterben. Wir alle werden eines grausamen Todes sterben.« Die Vorstellung scheint sie eher aufzumuntern als zu erschrecken. Plötzlich verströmt sie eine geradezu elektrische Energie. Ich spüre einen ungeheuren Quell von Gewalt und Zorn, eine latente Kraft, ebenso faszinierend wie beunruhigend. Pervers, wie ich bin, höre ich zu.
    »Haben Sie schon mal von der Entrückung gehört?«
    »Ich erinnere mich dunkel.« Sie gehört zum Credo der
Glaubenswelle
, eingeschleppt von britischen Bürgern, die nach dem weltweiten Zusammenbruch ihren sonnigen Alterssitz in Florida aufgaben und nach England zurückkehrten. Berühmte Konvertiten und ein Haufen süchtig machender Erlösungsshows im Fernsehen haben die Entrückung noch populärer gemacht. »Er zähl mal.«
    »Es geht um die Rettung der Gerechten. Wenn der Super-GAU eintritt, kommen die wahren Christen geradewegs in den Himmel, ein großer Lufttransport, sozusagen. Die Übrigen bleiben zurück. Gnade denen, die reinen Herzens sind, Gerechtigkeit für alle Übrigen. So steht es in der Bibel. Lesen Sie Ezechiel oder Daniel oder die Thessalonicher oder die Offenbarung. Alle Zeichen sind da. Der Iran, Jerusalem. Alles kann jeden Augenblick |33| in die Luft fliegen. Sieben Jahre Trübsal. Demnächst auf diesem Planeten. Die Hitze der Hölle. Die Überlebenden werden darin gefangen sein. Es fängt schon an, das merkt man doch. Plagen und Pestilenz und der Zorn Gottes und die Herrschaft des Antichristen. Der ihnen das Zeichen des Tieres aufprägen wird.«
    Das Phänomen der
Glaubenswelle
besitzt eine krankhafte Logik: Warum angesichts drohender weiterer islamistischer Terrorangriffe nicht ein wahnsinniges Dogma gegen das andere setzen? Jede Woche finden Massentaufen statt, Versammlungen zur Wahren Geschichte und Hingabemärsche.
    »Bist du gläubig, Bethany?«
    »Gläubig?«, schnaubt sie. »Guter Witz. Wäre ich hier, wenn es einen Gott gäbe? Wohl kaum! Aber ich trage das Zeichen des Tieres.« Sie legt die Zeigefinger an die Schläfen. »In meinem Fall ist es unsichtbar. Dort werden die Elektroden

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