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Endzeit

Endzeit

Titel: Endzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Jensen
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angesetzt.«
    »Was hat Gott dir früher bedeutet?«
    »Jedenfalls nichts Gutes. Was ich nicht kapiere: Wer hat Gott erschaffen? Die Frage konnte mir noch keiner beantworten. Es ist wie mit dem Universum. Es dehnt sich ständig aus, oder? Aber was ist auf der Außenseite?«
    »Hat Gott nie etwas Gutes für dich bedeutet?« Sie zuckt mit den Schultern und schaut weg. Entweder weiß sie es nicht, oder sie will es nicht sagen. Ich warte und probiere es dann mit einem anderen Ansatz. »Wie hast du als Kind deine Familie erlebt, Bethany?« Achselzucken. »Du kannst aus der Bibel zitieren. Daher frage ich mich, was dich beeinflusst hat.«
    »Ach ja? Dann fragen Sie sich mal weiter.« Sie wirkt gereizt.
»Wir glauben an die universelle Sündhaftigkeit der Menschen seit dem Sündenfall, der den Menschen Gottes Zorn und Verdammnis unterwarf.«
    »Wer ist wir?«
    »Sie.«
    »Deine Eltern?«
    »Ganz heiß! Wie viel Grad haben Sie im Arsch?«
    |34| »Sag mir, worüber du sonst noch nachdenkst.«
    Sie wird munterer, spreizt die Hände und spannt sie an, als wollte sie prüfen, ob sie sich zum Greifen eignen. Ihre Nägel sind schmutzig wie Tierkrallen. Ein Kratzer, schon hat sie einen infiziert. »Der halbe Planet ertrinkt, so viel kann ich Ihnen sagen. Inseln versinken, Küsten werden vom Meer verschlungen. Das Land wird immer weniger. Riesige Tsunamis schwappen darüber, die Temperatur schießt nach oben. Aber das ist nur ein Teil des Ganzen. Ich habe es im Stilleraum gesehen. Die Erde sieht aus wie ein Riesenlolli. Man kann sie heranzoomen. Satellitenblick, Roller. Verstehen Sie?« Sie nickt so heftig, dass ihr ganzer Körper sich mitbewegt. Sie scheint sich selber gar nicht genug zustimmen zu können. »Ja, ich habe den beschissenen
Satellitenblick
. Wie das Hubble-Teleskop.«
    Der Stilleraum ist ein unauffälliges Zimmerchen im zweiten Stock des Virgil-Blocks, in dem Insassen, die auf keine andere Behandlung angesprochen haben, ein Medikament gegen Krampfanfälle, ein Narkosemittel und dann Elektroschocks erhalten. Beim Gedanken, dass eine Sechzehnjährige Gefallen daran findet, wird mir übel.
    »Es ist nicht nur das Wetter. Das Wetter ist bloß eine Art Nebeneffekt«, sagt sie und wiegt sich noch immer vor und zurück. In ihrem Mundwinkel sammelt sich Spucke. Ich versuche, meinen Abscheu vor diesem Mädchen und seinen wenig phantasievollen Katastrophenvisionen zu unterdrücken – Visionen, an die laut Umfragen die halbe Bevölkerung glaubt, ebenso wie an Wunder und Tarotkarten. »Da landet man vielleicht in einer Wüste aus chemischen Kristallen. Oder strandet irgendwo allein im Rollstuhl.« Sie hebt bedeutungsvoll die Augenbrauen. »Auf einem schwarzen Felsen mit toten Bäumen. Es ist nicht nur die Hitze, sondern auch die geologische Aktivität, schlimmer als das schlimmste Erdbeben.« Sie ist wach, erhitzt, lebhaft. Die diagnostische Phrase von der »Gefahr für sich und andere« geht mir nicht aus dem Kopf. Ihr Zynismus ist einer manischen Erregung gewichen. |35| »Risse, aber nicht da, wo tektonische Platten aufeinandertreffen, sondern an anderen, neuen Stellen.« Die Worte stürzen aus ihr heraus, dass die Spucke in ihrem Mundwinkel pulsiert. »Sie rülpsen giftige Gase hervor, die man nicht einatmen darf. Wissen Sie, warum der Erdkern so heiß ist? Weil dieser Planet nur ein Brocken von irgendeiner Supernova ist, die vor, also, vor Äonen explodiert ist.«
    Ich frage mich, welche Fernsehsender sie gesehen hat, und tippe auf Discovery Channel, BBC World, Cartoon Network, News 24, CNN.   Aber wo? Und wann? Der Fernseher im Aufenthaltsraum scheint permanent auf MTV eingestellt. Im Internet. Eine Million Seiten, zig Millionen Bilder – man kann überallhin, an alles glauben, Gemetzel jeglicher Art ansehen und sich bis zum Neptun und zurück erschrecken. Falls die Klimaerwärmung der letzte Beweis dafür ist, dass wir unser eigenes Nest beschmutzt haben, dann beweist Bethany, dass diese Tatsache manchen Menschen neue Energie verleiht.
    »Sie wissen doch, was ich mit dem Erdkern meine«, sagt sie und legt die Hand mit gespreizten Fingern aufs Herz. Ihr Vater ist Prediger. Ich frage mich, wie viel von ihrem Verhalten sie unbewusst von ihm übernommen hat. Vielleicht hat sie sich auch nur die Fähigkeit, überzeugend zu wirken, abgeschaut, sein Charisma. »Ich meine die Mitte der Erde. Ich meine ihre Seele. Das habe ich gesehen, als ich den Zappler hatte. Eigentlich soll man sich nicht an den Schock erinnern, oder? Ich tu

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