Endzeit
den Teufel ausgetrieben und den Wunsch geäußert, zu Gott zurückzukehren!« Seine Stimme steigert sich zu einem Schrei. »Gepriesen sei der Herr!«
|380| Aufgeregtes Murmeln schwappt durch das Amphitheater wie Whisky in einem Glas und setzt neue Aromen frei. Es gibt triumphierende Rufe, aber auch feindselige Untertöne. Nicht alle scheinen die Neuigkeit zu begrüßen. Doch Bethany lächelt noch strahlender, als sie ihr Gesicht nach oben hebt, zum Himmel. Auf den riesigen Bildschirmen sieht sie unerwartet und irrsinnig hübsch aus. Ihre Augen glänzen.
»Sag es ihnen, Dad«, fordert sie ihn auf. »Sag ihnen, warum ich hier bin.«
Krall bringt die Menge wieder zum Schweigen und holt tief Luft. »Viele von euch haben von Bethanys Kampf gegen das Böse und ihre eigenen Dämonen gehört. Viele von euch wissen, was sie getan hat.« Er hält inne. »Auch ich weiß es nur zu gut. Zu meinem großen Kummer.« Die Leute nicken. »Ich weiß, dass einige von euch skeptisch sind. Aber wir alle haben geliebte Menschen, auf deren Rettung wir hoffen. Für deren Entrückung wir beten.« An dieser Stelle erntet er aufrichtige Zustimmung. »Heute hat sich der Wunsch eines Vaters erfüllt.« Sein Lächeln ist echt. »Meine Bethany hat sich entschlossen, Gott um Vergebung zu bitten! Und unser Herr ist ein Herr, der zuhört!« Bethany hat flehend die Hände gefaltet und fällt mit gesenktem Kopf auf die Knie. Auf den Bildschirmen ist nur noch ihr stoppeliger Schädel zu sehen, dann blickt sie auf. Tränen glitzern in ihren Augen. Sie hebt die Hände hoch über den Kopf. Erregung und Unbehagen fluten durch die Menge. »Ich spüre bei einigen Ungläubigkeit«, fährt Krall fort. »Doch ich möchte euch daran erinnern, dass Gott der Herr gnädig und versöhnlich ist, selbst wenn wir uns gegen ihn auflehnen! Meine Tochter ist der Beweis dafür, dass es nie zu spät ist, den Teufel zu verbannen.
So tut nun Buße und bekehrt euch, dass eure Sünden vertilgt werden; auf dass da komme die Zeit der Erquickung von dem Angesichte des Herrn!
Bethany, bereust du wahrhaftig deine Sünden vor Gott und vor uns, die wir dies hier und heute bezeugen?« Sie müssen miteinander gesprochen haben, bevor sie auf die Bühne gingen. Wie aber hat sie ihn überzeugt? |381| War es das seltsame, engelsgleiche Lächeln, das ihn in diese bizarre, öffentliche
folie à deux
gelockt hat? »Es gibt Leute, die es aus deinem eigenen Mund hören wollen. Hat der Teufel dich verlassen? Sprich!« Er hebt die Hände. »Sag es ihnen, Bethany. Und sag es dem Herrn! Sag es allen! Sie sollen es selbst hören!«
Ein gewaltiger Schrei der Begeisterung ertönt, in den sich Warnrufe mischen.
Bethany steht langsam auf und schaut ihren Vater an. Ihre Augen sind noch immer feucht. Sie spricht leise.
»Danke, dass du mich hier sprechen lässt, Dad. Ich weiß, was ich dir angetan habe.« Bekundungen des Mitgefühls. Ein Mädchen, das seine Mutter getötet hat, bittet den Vater und Gott um Vergebung: Was kann dies anderes sein als ein Wunder, wie geschaffen für einen Tag wie diesen? Ein Mann in meiner Nähe runzelt die Stirn und stößt seine Frau an, worauf beide besorgt den Kopf schütteln. Doch andere Gläubige werden allmählich nachgiebiger. Die beiden Frauen vor mir flüstern sanft miteinander und halten sich an den Händen. Bethany breitet die mageren, vernarbten Arme aus und dreht sich langsam, bis sie den ganzen erleuchteten Halbkreis in sich aufgenommen hat. Sie ist die Tochter ihres Vaters, das sehe ich deutlich. Sie hat seine Gabe.
»Es stimmt, dass ich etwas in mir hatte«, sagt sie. In ihrer Stimme schwingt etwas Neues mit, das ich noch nicht kenne. Selbstsicherheit. Aber auch ein Unterton, den man mit Demut verwechseln könnte. »Und es war etwas Schreckliches.« Sie nickt heftig und senkt, scheinbar niedergeschlagen, den Kopf. Um uns herum erhebt sich wirres Geflüster. »Etwas so Hässliches und Böses, dass die meisten von Ihnen es nicht glauben würden.« Mehr Getuschel, fasziniert, skeptisch, unterstützend. Bethany geht auf der Bühne auf und ab und schaut sich traurig um. Sie hat das Publikum in ihren Bann geschlagen. »Mum und Dad wollten es loswerden. Aber es wollte mich nicht verlassen, sosehr sie auch gebetet haben. Sie versuchten es wieder und wieder. Sie taten alles dafür. Und jedes Mal bemühten sie sich mehr. Das stimmt doch, Dad?«
|382| Leonard Kralls Gesicht leuchtet noch, aber es liegt ein Schatten darüber. Er nickt vorsichtig. »Ja, Liebes. Wir
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