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Energie fur Centaur

Energie fur Centaur

Titel: Energie fur Centaur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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rundum wohl, voller Tatendrang, weil es weiterging. Er glaubte
einfach nicht, daß es etwas Organisches sei, ob nervlich
bedingt oder nicht, was ihm zeitweise die Stimme raubte.
Vergleichbares wußte er nicht. Aber er konnte sich vorstellen,
daß man das spüren würde. Man müßte Schmerzen haben.
Oder eine ungeheure Heiserkeit. Ich spreche doch wie stets,
nur zu hören gibt es nichts. Und zwischen zwei Anfällen
keinerlei Symptome, keine Anzeichen. Das Versagen der
Stimme müßte man einfach empfinden. Aber sosehr Gernot
auch in sich hineinfühlte, er empfand seinen Sprechapparat
völlig intakt und unverändert. Das war, weiß der Teufel, nicht
geheuer. Aber mache das jemandem klar, Gernot, einem, der
nur die Wirkung verspürt, dich hilflos Laute formulieren sieht
und nichts hört.
    Drüben, auf der Gegenseite, trat Brit aus der Schleuse.
„Hallo, Brit“, rief Gernot, im Bedürfnis, sich mit dieser
burschikosen jungen Frau ein wenig zu unterhalten, nicht nur,
um seinem an diesem Tag ausgeprägten Sprechdrang zu
frönen, sondern auch um sie zu fragen, wie weit aus ihrer Sicht
die Aktion Schrott vorbereitet war. Aber unvermittelt wie stets
verließ nicht ein Laut seinen Mund.
    Doch während Gernot die letzten Male erschrocken und
wütend, weil ohnmächtig, das Bestreben hatte, sich von den
Menschen zu entfernen, sein Gebrechen zu vertuschen, hatte er
jetzt den unbändigen Wunsch, es nach allen Regeln zu testen.
Schon, um in der Diskussion mit Josephin zu bestehen.
    Brit hatte natürlich keinen Ruf vernommen, Gernot aber auch
nicht erblickt. „Um so besser!“ sagte er laut – oder tat so, als
ob er es laut sagte. Er sah sich um, ob ihn auch keiner beobachtete. Wiederum nahm er jedoch nur die beiden Centauren
drüben auf dem Dach wahr, die gebückt in irgendein Gerät, das
vor ihnen stand, einen Werkzeugkasten vielleicht, hineinsahen
und nicht die geringste Notiz von ihm nahmen.
    Da begann Gernot aus Leibeskräften zu singen, das einmal
laut, einmal leise, hoch und tief über mehrere Oktaven. Wäre er
von jemandem gehört worden, es wäre für denjenigen sicher
kein Genuß gewesen. Und Gernot spürte und lauschte in sich
hinein, was anders war an der Lautbildung als sonst. Aber
sosehr er sich auch mühte, er konnte nichts Anormales
feststellen… Gernot hielt die Hände, zu einer Schüssel
geformt, vor den Mund, und er spürte im Wechsel der Töne,
die er hervorstieß, den unterschiedlichen Druck seines Lufthauchs.
    Gernot begann, die merkwürdigsten Geräusche zu modellieren, und er hatte den Eindruck, sie gelangen ihm. Er grunzte
und quakte, heulte, bellte und miaute. Jetzt hätte ein heimlicher
Zuhörer, wären die Geräusche von Gernot weggedrungen, ohne
zu zögern, dafür gesorgt, daß man den irren Gernot Wach in
die Krankenstation einweise. Aber da auch ohne Laute Gernots
Gesichtsverrenkungen merkwürdig genug anmuten mußten,
sah er sich doch ab und an verstohlen um, ob sich nicht doch
irgendwelche Zuschauer eingefunden hatten.
    Bei einer solchen Umschau gewahrte Gernot, wie die beiden
centaurischen Dachsteiger gegenüber, offenbar fertig mit dem,
was sie taten, ihr Kästchen anhoben. Gerade in diesem
Augenblick hatte Gernot zu einem kräftigen Jodler angesetzt,
der nun wie ein Echo durch das Atrium kollerte. Gernot
erschrak ob der Häßlichkeit dieses Geräusches und weil es so
schrecklich laut schallte.
Die beiden auf dem Dach waren stehengeblieben, sahen zu
ihm herab und winkten freundlich.
    Gernots Verlegenheit dauerte nur wenige Sekunden. Dann
brachte er es fertig, lachend zurückzuwinken.
Und dann dachte er nach. Er hatte das unbezwingbare Gefühl, daß seine Nerven ihm keinen Streich spielten. Das
Aussetzen der Stimme ließ sich unter gar keinen Umständen
darauf zurückführen, daß sie versagte.
    „Ich habe mit Jercy gesprochen, heute. Er wäre einverstanden,
wenn du jetzt einige Zeit aussetztest. Er meint, es sei günstig,
weil die Arbeit im Augenblick ohnehin stockt.“
    Gernot blieb der Bissen im Hals stecken. Josephin hatte es
beiläufig gesagt, schon im Begriff, das Eßgeschirr abzuräumen.
Er holte tief Luft und entgegnete, sichtlich um Fassung
bemüht: „Bist du von allen guten Geistern verlassen?“ Er
wurde zunehmend lauter. „Nichts, gar nichts stockt. Und ich
habe dir heute früh gesagt, daß ich nicht daran denke, gerade
jetzt nicht daran denke. Fini, ein für allemal: Bitte mische dich
nicht in meine ureigensten Dinge ein – und nicht über

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