Engel auf Abwegen
der Nachbarschaft zu begrüßen.«
Ich hielt ihm den Korb entgegen.
Den er nicht nahm.
Er kniff die Augen zusammen. »Sind Sie nicht zwei Jahre zu spät dran, meine Liebe?«
Waren denn alle in meiner Welt verrückt geworden und hatten angefangen zu glauben, dass Unverblümtheit attraktiv war? Natürlich gehörte Howard Grout nicht zu meiner Welt.
Ich ließ den Korb sinken, aber ehe ich darüber nachdenken konnte, wie ich diesem Rüpel von einem Mann antworten sollte, fing er an zu lachen. Er hatte eine große dröhnende Lache, die in der Eingangshalle, die größte, die ich je gesehen hatte, widerhallte. Sie war riesig und voll mit kitschigem Nippes und vergoldetem Flitterzeug.
Er streckte die Hand aus und nahm den Korb entgegen. »Da hätte ich Sie beinahe erwischt, nicht wahr, Frede? Ich bin froh, dass Sie gekommen sind. Besser zu spät als nie, wie ich immer sage.«
Er klemmte den Korb zwischen Ellbogen und Taille, und ich bemerkte, wie sein Fleisch gegen eines von Ninas berühmten Blaubeer-und-saure-Sahne-Muffins drückte. Ich bezweifelte, dass ich jemals wieder ein Muffin essen würde.
»Kommen Sie herein, meine Liebe.«
Das wollte ich nun wirklich nicht.
Ich erinnerte mich an mein Ziel (Gordon, der mich in höchsten Tönen um Verzeihung bat) und daran, dass dieser NC ein Anwalt war, der in meinem Namen Rache üben konnte.
»Okay, vielen Dank, Mr. Grout.«
»Nennen Sie mich Howard.«
»Danke, Howard.«
Er lachte wieder und ging ins Haus. Dabei hielt er weder die Tür für mich auf, noch gab er mir ein Zeichen, ihm zu folgen. Ehrlich gesagt schienen schlechte Manieren weitaus besser zu sein als der Gedanke daran, dass dieser Mann mich anfasste, selbst wenn es sich um eine höfliche Geste handelte und er seine Hand an meinen Ellbogen legen würde, um mich ins Haus zu führen.
Ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte, und betrat das Haus. Als ich keine Hausangestellten sah, schloss ich die Tür hinter mir. Kurz danach nahm ich den Hut ab, stellte mich vor den Riesenspiegel und brachte mein Haar in Ordnung und beschloss, dass ich nichts anderes tun konnte, als seiner Stimme zu folgen.
Ich ging einen langen Flur hinunter, dessen Wände mit Kunstwerken vollgehängt waren, und ich war über die Verschiedenartigkeit der Exponate dort überrascht: geschmackvolle Wasserfarben und ein beeindruckend strukturiertes Ölgemälde von einem Künstler, der erst vor kurzem bekannt geworden war, außerdem zwei Gemälde von Elvis in schwarzem Samt. Es schien, als würde Howard Grout sagen: Ich habe Geschmack, ich weiß über Kunst Bescheid, aber ich hänge auf, was ich will . Wenn er adeliger Abstammung gewesen wäre, hätte man ihn angehimmelt. Ohne diese war er einfach nur anstößig.
Ich hatte das Ende des Flurs fast erreicht, als mir die Skulptur ins Auge fiel – ein nackter männlicher Körper, in Marmor gehauen. Trotz der Tatsache, dass ich allgemein nicht an nackte Kunst glaube (damit kann man kaum etwas dekorieren), handelte es sich um eine wirklich ansehnliche Arbeit, die mich provozierte, und mein Atem ging ein
wenig schneller. Wenn sie nicht so meisterhaft gemacht gewesen wäre, hätte man die Skulptur als Pornographie bezeichnen können.
Ich betrachtete die Figur näher und bemerkte, dass auf dem Sockel SAWYER JACKSON eingraviert war. Ich hatte von dem Künstler schon gehört und kannte keinen Kunsthändler, der das nicht auch getan hatte. Fast alle Galerien in Texas und sogar in New York hatten versucht, den Mann dazu zu bewegen, seine Arbeiten auszustellen. Aber er war so flüchtig wie Rauch, und niemandem war es bisher gelungen, ihn zu einer Ausstellung zu bewegen. Ich hatte es nie versucht, denn wer will sich schon einen launischen Künstler aufhalsen? Obwohl ich zugeben muss, dass ich seine Werke bis zu diesem Augenblick noch nie gesehen hatte.
Wenn ich Howard finden würde, würde ich ihn über den Künstler ausfragen, aber ich wurde völlig abgelenkt, weil ich ihn in der Küche entdeckte. Ja, in der Küche. Ich glaube, ich muss nicht groß erklären, dass man einen Gast nicht in die Küche führt, wenn man ihn nicht schon ewig kennt und eng mit ihm befreundet ist.
Howard war gerade dabei, den Korb mit Ninas Backwaren zu durchwühlen, als ich die Küche betrat.
»Mmm-mmm«, sagte er, »die sehen ja gut aus.« Er nahm einen Bissen. »Ich bin beeindruckt«, fügte er hinzu, ein Muffin kauend. »Sie sind wirklich eine gute Köchin.«
»Das ist die Spezialität meiner Hausangestellten«,
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